Diakonie: Teilhabegesetz muss verbessert werden

Eine Mann lehnt sich an ein Schild mit dem Schriftzug "Teilhabe wird Behindert" am 22.09.2016 auf dem Pariser Platz in Berlin.
Foto: dpa/Lino Marcel Mirgeler
Protest gegen das Teilhabegesetz auf dem Pariser Platz in Berlin.
Diakonie: Teilhabegesetz muss verbessert werden
Drei Tage vor der Anhörung zum geplanten Bundesteilhabegesetz im Bundestag fordert die Diakonie Deutschland Verbesserungen an der Reform der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen.

Vorstandsmitglied Maria Loheide kritisierte am Freitag in Berlin, es könne nicht sein, dass einige neue Regelungen hinter das geltende Recht zurückfielen. Damit schloss sich der evangelische Verband dem Protest anderer Sozial- und Betroffenenverbände an. Die Diakonie rief die Koalition auf, den Gesetzentwurf zu überarbeiten. Er soll bis Ende des Jahres verabschiedet werden.

Behindertenvertreter kritisieren zahlreiche Aspekte des Vorhabens. Der Aktivist Raul Krauthausen sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die sozialen Medien hätten es ermöglicht, den Protest zu verbreitern und hörbar zu machen. Für Montag sind in Berlin Kundgebungen am Brandenburger Tor und am Bundestag geplant.

Nicht Pflege, sondern Leben soll im Vordergrund stehen

Das geplante Bundesteilhabegesetz löst die bisherige Eingliederungshilfe ab, die es behinderten Menschen ermöglichen soll, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Bezahlt werden etwa Assistenten, die einem Rollstuhlfahrer das Leben in einer eigenen Wohnung ermöglichen, Fahrdienste oder Ausgaben für einen Blindenhund. Zur Eingliederungshilfe gehören auch Zahlungen, die Werkstätten oder Betreiber von Wohnstätten für Behinderte erhalten. Rund 700.000 Menschen beziehen in Deutschland Eingliederungshilfe.

Der Entwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ist unter Beteiligung der Verbände erarbeitet worden und sieht zahlreiche Verbesserungen vor, etwa für behinderte Berufstätige und ihre Angehörigen. Das Gesetz folgt außerdem den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention, wonach behinderte Menschen einen Anspruch auf Inklusion statt auf Fürsorge haben. Aber die Verbände sehen auch neue Schwierigkeiten auf die Betroffenen zukommen. Loheide sagte, die Probleme seien teilweise gravierend.



So würden etwa behinderte Menschen, die außerdem Pflege brauchen, durch die geplanten Gesetzesänderungen auf die Leistungen der Pflegeversicherung verwiesen. Das sei aber nicht gerechtfertigt, weil sie Anspruch auf beide Leistungen hätten und die Eingliederungshilfe, anders als Pflegeleistungen, ausschließlich auf die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ausgerichtet sei. Das gelte insbesondere für junge behinderte Menschen, bei denen nicht die Pflege, sondern das Leben im Vordergrund stehen müsse.

Kritisch sehen alle Sozial- und Behindertenverbände auch die Zugangsvoraussetzungen. Die Kriterien seien so gefasst, dass sie beispielsweise blinde oder hörgeschädigte Menschen, die keine weiteren Einschränkungen haben, von den Hilfen ausschlössen. Der Anspruch auf Eingliederungshilfe dürfe aber nicht davon abhängig gemacht werden, wie viel Unterstützung ein Mensch benötige.

Protest unter dem Hashtag #nichtmeingesetz

Nach Ansicht des Aktivisten Krauthausen, dem prominenten Gesicht des Protestes, wurden die Interessen der behinderten Menschen "mal wieder weitgehend ausgeklammert". Vorrangig über die sozialen Medien hätten sie daher ihren Protest organisiert und viel Unterstützung bekommen. "Wir hatten die Idee, der Politik direkt mitzuteilen, dass wir mit den Plänen nicht einverstanden sind", sagte Krauthausen.

Unter dem Hashtag #nichtmeingesetz sammelten die Behindertenvertreter in den vergangenen Monaten den Protest und erreichten damit auf Twitter und Facebook große Aufmerksamkeit. "Als wir die Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken hatten, haben auch viele Medien berichtet. Sonst verstecken sie sich oft hinter Ausreden wie der, dass Behindertenthemen zu komplex seien", sagte Krauthausen.