Die Pöbeleien bei den zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am Montag in Dresden haben Entsetzen und Besorgnisse über eine tiefe Spaltung der Gesellschaft ausgelöst. Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) bezeichnete die erneuten Negativschlagzeilen aus Dresden als "beschämend". Die fremdenfeindliche "Pegida"-Bewegung mit ihrem Anführer Lutz Bachmann sei eine "Hasssekte" mit einem "Hassprediger", sagte Dulig "MDR Aktuell".
Auch Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing kritisierte die fremdenfeindlichen Proteste am Einheitstag scharf. Ebenso zeigte sich der Dresdner Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel am Dienstagmorgen im RBB-Inforadio verärgert. Die sächsische Landesregierung hatte bereits am Montag während der Veranstaltungen getwittert: "Wir sind traurig und beschämt über die Respektlosigkeit und den Hass der Pöbler bei den bisher friedlichen Feierlichkeiten."
Merkel hat zu Respekt aufgerufen
Bei den Feiern am Montag waren Vertreter von Bundesregierung und Bundestag mit "Haut ab"- und "Volksverräter"- Rufen empfangen und vehement beschimpft worden. Immer wieder war auf den Plätzen vor Semperoper und Frauenkirche, wo die offiziellen Feiern stattfanden, "Merkel muss weg" zu hören. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth wurde bei einem Versuch, mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen, von Sprechchören niedergebrüllt. Ein dunkelhäutiger Mann, der zum Gottesdienst in die Frauenkirche wollte, soll Augenzeugen zufolge mit Affenlauten und "Abschieben"-Rufen geschmäht worden sein.
Der evangelische Landesbischof Rentzing sagte am Montagabend, das "Geschehen vor und nach dem Gottesdienst auf dem Neumarkt, das dem Ansehen der Stadt und auch unserem Land geschadet hat, verurteile ich auf das Entschiedenste". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Montag direkt auf die Pöbler reagiert und zu Respekt und Dialogbereitschaft aufgerufen. Sie wünsche sich, dass vorhandene Probleme gemeinsam und in gegenseitigem Respekt gelöst werden. Die Menschen sollten miteinander im Gespräch bleiben. Am Rande der offiziellen Feierlichkeiten sprach die Bundeskanzlerin auch mit der Familie des Imams, dessen Moschee vergangene Woche Ziel eines Anschlags war.
Dresdens Ordnungsbürgermeister Sittel sagte, dass zum Feiern eingeladene Gäste beleidigt und bepöbelt wurden, verärgere ihn eindeutig. Zahlenmäßig sei dies zwar eine deutliche Minderheit der Besucher gewesen, es gehe aber nicht um das Aufrechnen von Zahlen. Ihm mache Sorge, wie aus verbaler Gewalt auch körperliche Gewalt zu werden drohe.
Polizist wünscht Pegida "erfolgreichen Tag"
Das Einheitsfest stand unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. Bis zu 2.600 Beamte waren im Einsatz. "Der Spagat zwischen einem bürgernahen bunten Fest und der erforderlichen Sicherheit ist gelungen", sagte Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar. Die mehr als zehn angemeldeten Demonstrationen am Montag verliefen nach Polizeiangaben weitgehend störungsfrei. Warum die Polizei bei den Pöbeleien am Neumarkt, wo sich am Montagmorgen rund 300 Rechtspopulisten, vor allem "Pegida"-Anhänger, eingefunden hatten, nicht stärker eingriff, bleibt offen. Demonstrationen auf dem gesamten Festgelände waren zuvor untersagt worden.
Rund 450.000 Menschen besuchten das Bürgerfest in der Dresdner Innenstadt, deutlich weniger als die erwarteten rund 750.000. Am Abend zog die fremdenfeindliche "Pegida"-Bewegung mit laut der Initiative "Durchgezählt" rund 4.000 Anhängern durch die Stadt am Rand der Festmeile. Ein Polizist, der wegen eines Defektes an der Technik der Veranstalter die Auflagen für die Kundgebung verlesen hatte, wünsche der Bewegung "einen erfolgreichen Tag". Die Polizei distanzierte sich später und versprach Aufklärung des Vorfalls.
Am der Brücke Blaues Wunder in Dresden-Blasewitz versammelten sich um die Rechtspopulistin Tatjana Festerling mehrere hundert Menschen. Auf der Brücke demonstrierten ebenfalls mehrere hundert Menschen für Weltoffenheit und Toleranz.