Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, lehnt eine unterschiedliche Behandlung von Flüchtlingen entsprechend ihrer Religionszugehörigkeit ab. "Primär zählt die Würde und die Bedürftigkeit der Menschen, und nicht die Angehörigkeit zu einer bestimmten Religion", sagte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten nach einem Besuch bei Flüchtlingen in der Türkei dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein Vorrang für eine bestimmte Religionszugehörigkeit könne man nicht akzeptieren.
Gleichwohl müsse klug überlegt werden, wie Flüchtlinge in den aufnehmenden Ländern gut integriert werden können, sagte der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm. Zusammen mit der Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel, hatte er am Freitag das Camp Findanlik nahe der südtürkischen Metropole Diyarbakir besucht. In dem von der kurdischen Regionalverwaltung errichteten Lager leben rund 1.300 Angehörige der jesidischen Minderheit aus dem Irak, die vor der Gewalt der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) geflohen sind.
Die Jesiden gehören zur Volksgruppe der Kurden. Sie sind aber keine Muslime, sondern bilden eine eigene Religionsgemeinschaft. Weltweit bekennen sich mindestens 800.000 Menschen zum jesidischen Glauben. Die Mehrheit von ihnen lebt im Nordirak.
Bedford-Strohm äußerte sich insgesamt "beeindruckt, wie gastfreundlich die Menschen in der Türkei, einem Land mit hoher Arbeitslosigkeit, gegenüber den drei Millionen aufgenommenen Flüchtlingen sind". "Man sollte das einmal ausdrücklich würdigen", sagte er, um dann auch glaubwürdig kritische Fragen an die Türkei richten zu können. "Die Pressefreiheit zu verletzen und massenhaft staatliche Angestellte und Beamte zu verhaften und zu suspendieren, ist nicht akzeptabel. Das ist nicht mit den europäischen Werten vereinbar", sagte er dem epd.
Bedford-Strohm und Füllkrug-Weitzel forderten Integrationsperspektiven für Flüchtlinge in den Aufnahmeländern. Füllkrug-Weitzel sagte, der sich dramatisch verschärfende Konflikt in Syrien und die anhaltende Gewalt im Irak ließen wenig Hoffnung zu, dass die teils schwer traumatisierten Familien bald in ihre Heimat zurückkehren können. "Sie sehnen sich nach Sicherheit und einer Zukunft für ihre Kinder", sagte sie. Dazu gehörten Möglichkeiten zu Bildung und Arbeit.
Blick nach Griechenland
Die Diakonie Katastrophenhilfe unterstützt mit ihrer Partnerorganisation in der Türkei derzeit Flüchtlinge in Diyarbakir, Sanliurfa, Batman, Hatay und Istanbul. Mit Förderung durch das Auswärtige Amt und die Europäische Kommission betreibt die Katastrophenhilfe nach eigenen Angaben derzeit Projekte mit einem Volumen von insgesamt rund 13 Millionen Euro in der Türkei und erreicht damit etwa 120.000 Menschen.
Unterdessen lenkte der Zentralrat der Jesiden in Deutschland den Blick nach Griechenland. Jesidische und christliche Flüchtlinge seien in griechischen Lagern religiösen Übergriffen durch radikalisierte Muslime ausgesetzt. Zudem sei die Versorgung und Unterbringung vor Ort katastrophal, sagte ein Sprecher am Samstag in Oldenburg. Die europäische Staatengemeinschaft müsse die religiös Verfolgten so schnell wie möglich aus den Lagern in andere Länder bringen.