20 Prozent, die sich für eine Mehrheit halten

Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
20 Prozent, die sich für eine Mehrheit halten
Eine kleine Flut von hässlichen, fremdenfeindlichen Kommentaren hat sich auf unsere Facebook-Seite ergossen. Die Schreiber und Schreiberinnen halten sich für eine Mehrheit - aber sie sind es nicht. Sie sind 20 Prozent. Wir sind mehr.

Wir haben am Freitag darüber berichtet, dass eine Mehrheit der Deutschen es befürwortet, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Das war das Ergebnis einer repräsentativen Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD. Auf Facebook hat das mehr als 500 Kommentare hervorgerufen. Die meisten fremdenfeindlich, ablehnend, beleidigend. Unter echten Namen, öffentlich sichtbar. Das überrascht nicht mehr, aber es entsetzt trotzdem.

"Echte Flüchtlinge brauchen Hilfe, Wirtschaftsflüchtlinge nicht", haben sie geschrieben. Dabei muss jeder Mensch, der Hilfe braucht, sie auch bekommen. Und auch jemand, der aus wirtschaftlicher Not in ein fremdes Land kommt und dort gar nichts hat, hat Unterstützung verdient. Denn ohne Not verlässt niemand seine Heimat. Das ist Nächstenliebe: Niemanden fallen zu lassen. Egal ob Deutscher oder Ausländer.

"Kann nicht sein, ich kenne niemanden, der Flüchtlingen helfen will", haben sie geschrieben. Dabei verstehen sie nicht, dass auch Dinge wahr sein können, die sie selbst nicht sehen. Diese Denkweise, dass gar nicht stimmen kann, was sie nicht selbst kennen, ist Gift. Gift für jede sachliche Auseinandersetzung, Gift für die wissenschaftliche Methode. Wer so denkt, schafft sich ein Zerrbild der Welt, engt seinen Horizont immer weiter ein.

"Ihr und eure Scheiß-Nächstenliebe!", haben sie geschrieben. Ja genau: Das ist es, was uns als Christen ausmacht: die Nächstenliebe. Wer sich von der Liebe zum Nächsten abwendet, kann sich nicht mehr Christ nennen. Wer sich nicht einmal vorstellen kann, Flüchtlingen auch nur Sachspenden zu geben, ist vom Christ sein so weit entfernt wie Aleppo von Berlin.

20 Prozent der Wähler haben am Sonntag bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern für die AfD gestimmt.

20 Prozent ist der Anteil der Deutschen, der laut der Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts dagegen ist, dass sich die evangelische Kirche für die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzt. 20 Prozent befürworten auch, dass sich die Kirche vor allem für einheimische Christen einsetzt.

20 Prozent können sich laut der repräsentativen Studie nicht einmal vorstellen, auch nur Sachspenden an Flüchtlinge zu geben.

20 Prozent - das ist der Anteil unserer Gesellschaft, der seine Fremdenfeindlichkeit offen vor sich herträgt.

Diesen Leuten sage ich: Ihr tretet euer Glück, in Deutschland zu leben, mit Füßen. Wenn ihr euch selbst noch Christen nennt, schlagt eure Bibel auf, lest die Bergpredigt (Mt 5-7) und schämt euch! Ihr seid keine Christen, ihr seid selbst ernannte Kulturverteidiger, die nicht verstanden haben, mit welcher Botschaft Gott seinen Sohn auf die Erde geschickt hat.

Die Flüchtlingshasser, AfD-Wähler und Un-Christen sind außerdem nicht in der Mehrheit. Egal wie oft sie auf Facebook schreien, sie seien in Wahrheit die Mehrheit: Sie sind es nicht. Sie sind 20 Prozent. Wir sind 80 Prozent. Zeigen wir ihnen, dass das so ist! Jeder Facebook-Like für positive Aussagen zählt. Jeder Euro an Flüchtlingshilfe, Diakonie oder Seenotretter im Mittelmeer bewirkt etwas. Jedes Lächeln, jedes gute Wort, jede gemeinsame Mahlzeit und jedes Eingreifen in Not.

Wir 80 Prozent wissen auch, dass die Aufnahme von Flüchtlingen nicht mit einem Fingerschnipsen erledigt ist. Da steckt Arbeit drin, das ist anstrengend. Wir arbeiten im Stillen daran, und im Alltag bewahren wir uns unsere Menschlichkeit. Gemeinsam. Denn wir sind viele, wir sind mehr als die. Lasst es uns auch zeigen! Die Zeit ist jetzt!

#naechstenliebe