Es gebe dort eine "hohe Sozialkontrolle", sagte Referent Friedmann Eißler der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Gehorsam und Opferbereitschaft sind absolute, zentrale Werte, an denen natürlich auch das Verhalten der Anhängerinnen und Anhänger gemessen wird." Über Aussteiger würden häufig negative Geschichten verbreitet.
Das "Problem der Indoktrinierung" entstehe nicht direkt in den Schulen und Nachhilfeeinrichtungen, sondern in deren Umfeld, erläuterte Eißler, der die Bewegung des türkischen Predigers seit langem beobachtet. "Indem die jungen Menschen für die inneren Kreise interessiert und angeworben werden - mit Hilfe von Hausbesuchen, mit Geschenken, mit intensiven Gesprächen mit den Eltern - kann auch ein gewisser Druck entstehen."
Nach Ansicht von Eißler steht Gülen nicht für einen fortschrittlichen Islam. Man müsse sich klar machen, dass der Prediger die islamischen Werte in seinen Schriften immer wieder in einen Gegensatz zu "westlichen", also "christlichen" Werten bringe. Gülen verteidige die Gebote und Verbote der Scharia ausnahmslos. "Er ist ausdrücklich kein Reformtheologe, sondern passt lediglich die Vermittlung der konservativ-islamischen Inhalte geschickt den Umständen der umgebenden Gesellschaft an", erklärte Eißler.
Die Gülen-Bewegung ist seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei Mitte Juli verstärkt ins Rampenlicht gerückt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält Gülen für den Drahtzieher des Umsturzversuches und verlangt dessen Auslieferung von den USA, wo der Prediger seit 1999 lebt.