Trotz Ermittlungen wegen Spionagetätigkeiten gegen den Islamverband Ditib hält das Bundesinnenministerium am Dialog mit der türkei-nahen Vereinigung fest. Gerade jetzt sei es notwendig, mit Ditib als dem mit Abstand größten Zusammenschluss von Moscheegemeinden in Deutschland im Gespräch zu bleiben, sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag in Berlin. Das Land Niedersachsen hingegen kündigte am Freitag an, den geplanten Rahmenvertrag mit den islamischen Verbänden auszusetzen. Erst nach den Landtagswahlen im Januar 2018 soll weiter verhandelt werden.
In den Gesprächen auf Bundesebene mit Ditib werde "sehr deutlich gemacht, dass insbesondere eine politische Einflussnahme oder Instrumentalisierung der Türkisch-Islamischen Union durch die Türkei nicht hinnehmbar ist", betonte der Sprecher des Bundesinnenministeriums. Auch sollte von der bisherigen Entsendepraxis von Imamen der türkischen Religionsbehörde Diyanet Abstand genommen werden.
Niedersachsen legt Verhandlungen mit Ditib auf Eis
Die "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion", für die die Abkürzung Ditib steht, ist unter anderem Partner in der Deutschen Islamkonferenz, in der Staat und Islamverbände über die institutionelle Verankerung des Islam in Deutschland verhandeln. Der Verband ist eng mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet verbunden, so finanziert der türkische Staat zum Beispiel die Imame in den Gemeinden.
In der vergangenen Woche hatte der bundesweite Ditib-Verband eingeräumt, dass drei bis fünf Imame Informationen über Anhänger des Predigers Fethullah Gülen an die türkische Regierung weitergegeben haben. Am Mittwoch hatte die Bundesanwaltschaft bestätigt, Ermittlungen wegen Spionageaktivitäten bei Ditib gegen Unbekannt aufgenommen zu haben.
In Niedersachsen erklärte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD): "Die niedersächsische Landesregierung und die muslimischen Verbände nehmen mit Bedauern zur Kenntnis, dass sich die Rahmenbedingungen für die in Aussicht genommene Vereinbarung in den vergangenen beiden Jahren deutlich verschlechtert haben." Erst in der nächsten Legislaturperiode 2018 sollten die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Man wolle das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten.
Die Frage, wie abhängig Ditib von der türkischen Regierung ist, hat auch in Niedersachsen eine große Rolle gespielt. Ein wichtiger Punkt seien Zweifel an der Unabhängigkeit, erläuterte Regierungssprecherin Anke Pörksen. Der niedersächsische Landesverband werde die Verhandlungspause nutzen, um seine Eigenständigkeit zu klären. Die Landesregierung sehe den Verband im bundesweiten Vergleich auf einem "besonders guten Weg". Die Kontakte zwischen muslimischen Verbänden und Land sollten auch in der Verhandlungspause fortgesetzt werden, betonte Pörksen.
Der Ditib-Landesverband bedauerte die Entscheidung der Landesregierung. "Wir haben drei Jahre lang hart dafür gekämpft und hatten einen unterschriftsreifen Vertrag", sagte der Vorsitzende Yilmaz Kilic dem epd. Er wies Vorwürfe gegen Ditib zurück: "Wir sind niemandes verlängerter politischer Arm." Der Verband habe seit vielen Jahren eng und vertrauensvoll mit dem Land zusammengearbeit und sei bereit dies fortzusetzen.
In Niedersachsen, wo rund 300.000 Muslime leben, war der Rahmenvertrag ausgearbeitet worden, um die Rechte und Pflichten der Muslime umfassend zu regeln. Er sah etwa Regelungen zum islamischen Religionsunterricht, zur Seelsorge in Krankenhäusern und Gefängnissen sowie zum Moscheebau und Bestattungswesen vor. Das Land verhandelte darüber mit Ditib, dem muslimischen Verband Schura und der Gemeinschaft der Aleviten.