Es war das Läuten der Glocke, das Eleonore Rensch neugierig gemacht hat. Gemeinsam mit ihrem Mann macht sie Urlaub in Grainau bei Garmisch-Partenkirchen. Ein Tagesausflug hat sie an diesem Dienstag bei strahlender Sonne auf die Zugspitze geführt, wo in der Kapelle Maria Heimsuchung gerade Berggottesdienst gefeiert wird. Die umliegenden Gipfel bilden eine beeindruckende Kulisse - die Zugspitze ist mit 2.962 m der höchste Berg Deutschlands.
Man kann ihn erklimmen - oder mit der historischen Zahnradbahn befahren. So kommt es, dass zwischen Bergschuhen und Wanderausrüstung auch Ballerinas und die Chanel-Handtasche ihren Weg zum Gipfel finden. Mit Selfie-Stange und Kamera ausgerüstet machen die Besucher aus aller Welt besonders ein Motiv zum Hintergrund ihrer Urlaubserinnerungen: die Kapelle Maria Heimsuchung.
Berggottesdienste leben von der "Laufkundschaft"
Von den Einheimischen wird sie liebevoll "Kircherl" genannt. Mit der Gondel ist sie innerhalb von drei Minuten vom Gipfel aus zu erreichen. Über Geröll und Fels führen steinige Stufen bis zum höchstgelegenen Gotteshaus Deutschlands, das 1981 geweiht wurde.
Der evangelische Pfarrer Christian Günther winkt Eleonore Rensch herein, als sie vorsichtig durch einen Türspalt spitzt. Der Gottesdienst ist bereits im vollen Gange. Doch solche Gottesdienste leben nun mal von der "Laufkundschaft": Eher zufällig schauen Wanderer und Touristen vorbei, einige setzen sich, andere wiederum bleiben nur kurz oder gehen weiter. Einen Berggottesdienst als festes Ausflugsziel haben die wenigsten.
Gemeinsam mit Camilla Kirner besingen die Besucher - rund ein Dutzend sind es - die Schönheit von Gottes Schöpfung. Die junge Kantorin studiert Kirchenmusik in Tübingen und begleitet Pfarrer Günther vier Wochen lang bei Gottesdiensten im Werdenfelser Land. Sie seien ganz überrascht, wie herzlich ihnen die Leute begegneten, erzählen der Pfarrer und die Kantorin. Aber sie bedauern auch, dass viele Gottesdienstteilnehmer weder Texte noch Melodien von Kirchenliedern kennen.
Pfarrer Günther ist Urlaubsseelsorger und arbeitet eigentlich in Erfurt. Doch da sieben Enkelkinder in München sich über seinen Besuch freuen, nutzt er die Sommerzeit, um in den bayerischen Alpen unterwegs zu sein.
Die Möglichkeit, Gottesdienste in den Bergen abhalten zu dürfen, empfindet er als Geschenk. Die Zugspitze ist für den Pfarrer genau der richtige Ort zum "Ausatmen und Freisein". Hier könne man sich ganz auf sich selbst zu besinnen, sich vom Zeitdruck befreien und eine Pause einlegen, sagt er in seiner Predigt.
Auch Bergtouristin Rensch aus Bautzen hat inzwischen einen Platz in der Kapelle gefunden. Der Pfarrer rät seinen Zuhörerinnen und Zuhörern, einfach mal in die Luft zu starren und sich selbst zu genügen - und zwar nicht nur oben auf den Bergen, sondern auch unten im Tal, wenn der Alltag wiederkommt. "Wir müssen lernen, der Liebe Gottes zu vertrauen und den Tag zu genießen", sagt Günther.
Mehr Leben im Moment
Er plädiert für mehr Leben im Moment und geht mit der gleichen Einstellung auch in die Berggottesdienste: "Was aus dem Gottesdienst wird, hängt davon ab, was die Leute mitbringen."
Noch bis zum 13. September können Besucher jeden Dienstag um 12 Uhr am evangelischen und jeden Sonntag um 12 Uhr am katholischen Berggottesdienst auf der Zugspitze teilnehmen. Für die Kirchen sind Gottesdienste im Grünen seit Jahren ein festes Angebot. In den Sommermonaten finden viele davon in den Bergen statt, vom Fichtelgebirge über den Bayerischen Wald bis in den Alpenraum, vom Allgäu bis ins Berchtesgadener Land.
Eleonore Rensch ist froh, sagt sie, dass sie ihr Weg in den Bergen auch in einen Gottesdienst geführt hat. Am Ende läutet wieder die Glocke und die Urlauberin verlässt die Kapelle mit einem Lächeln. Sie blinzelt der Höhensonne entgegen und genießt den Moment inmitten des alpinen Bergpanoramas.