Im Syrien-Konflikt hat Russland überraschend Zivilisten und Rebellen freies Geleit aus der belagerten syrischen Stadt Aleppo versprochen. Der Moskauer Verteidigungsminister Sergej Schoigu ordnete am Donnerstag an, "heute
gemeinsam mit syrischen Regierungskräften eine umfangreiche humanitäre Hilfsoperation für die Zivilbevölkerung der Stadt Aleppo zu starten".
Der Ort ist von syrischen Regierungstruppen eingekreist. In den von der Opposition gehaltenen Stadtteilen und der Region Manbidsch weiter nordöstlich sind 400.000 Menschen von jeglicher Hilfe abgeschnitten. Laut dem Moskauer Ministerium sollen drei humanitäre Korridore nach Aleppo geschaffen werden. "In den Gebieten dieser
Korridore werden Ausgabestellen für warme Mahlzeiten und medizinische Erste Hilfe eröffnet", heißt es. Internationalen Hilfsorganisationen wurde vorgeschlagen, sich daran zu beteiligen.
Amnesty: Pro Woche 48-stündige Waffenruhe nötig
Ein vierter Korridor im Norden Aleppos soll den Abzug von Kämpfern ermöglichen. Russland ist der engste Verbündete Syriens. Zugleich verkündete der syrische Präsident Baschar al-Assad per Dekret eine Amnestie für kapitulierende Rebellen. Sie gilt laut der syrischen Nachrichtenagentur Sana für Kämpfer, die sich den Behörden stellen, ihre Waffen niederlegen und mögliche Gefangene freilassen.
Amnesty International und die Vereinten Nationen äußerten sich zurückhaltend zu den von Russland angekündigten Evakuierungs-Korridoren. "Es ist immer gut, Zivilisten zu erlauben, freiwillig das Schlachtfeld zu verlassen", sagte der UN-Diplomat Jan Egeland der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik. Notwendig sei aber auch eine 48-stündige Waffenruhe jede Woche, um dringend benötigte Hilfsgüter nach Aleppo bringen zu können. Egeland ist der Chefberater des UN-Syrien-Vermittlers Staffan de Mistura.
Laut Amnesty wird die Eröffnung von Fluchtwegen aus Aleppo eine humanitäre Katastrophe nicht verhindern. Dringend notwendig sei ungehinderte und unparteiliche Hilfe für die Bewohner, deren Vorräte in Kürze zur Neige gehen, erklärte die Menschenrechtsorganisation in London. Jahrelang habe das syrische Regime die Bevölkerung mit Luftangriffen terrorisiert, humanitäre Hilfe blockiert und Hunger als Waffe eingesetzt. Der Vorschlag aus Moskau müsse mit Misstrauen gesehen werden, da Russland womöglich selbst an Luftangriffen und möglichen Kriegsverbrechen in Syrien beteiligt sei.