Es gebe deutliche Hinweise darauf, "dass deutsche Behörden ein Problem haben: institutionellen Rassismus - also das Unvermögen, alle Menschen angemessen und professionell zu behandeln, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihres kulturellen Hintergrunds oder ethnischen Herkunft", sagte die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Caliskan, am Donnerstag in Berlin bei der Veröffentlichung des neuen Amnesty-Berichts "Leben in Unsicherheit: Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich lässt".
Von der Bundesregierung fordert die Menschenrechtsorganisation eine unabhängige Untersuchung dazu, inwieweit derartige Fälle bei den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere bei der Polizei, vorkommen und diese die Ermittlungen bei rassistischen Straftaten behindern. Zudem müsse die Innenministerkonferenz ein bundesweites Konzept zum Schutz von Flüchtlingsunterkünften vor rassistischen Angriffen vereinbaren.
Der neue Amnesty-Bericht belege, dass etwa Polizisten mitunter nicht erkennen, wenn sie es mit einem Opfer rassistischer Gewalt zu tun haben. "Die deutschen Strafverfolgungsbehörden haben aus ihrem Versagen beim NSU-Komplex wenig gelernt", kritisierte Caliskan. Nach Ansicht von Amnesty International vernachlässigt der deutsche Staat "seine menschenrechtlichen Verpflichtungen, indem er Geflüchtete und andere 'People of Color' nicht ausreichend vor Diskriminierung und rassistischen Angriffen schützt".
Caliskan betonte, dass es in Deutschland derzeit eine widersprüchliche Situation gebe. "Auf der einen Seite haben wir die großartige, mitfühlende Willkommenskultur, die geprägt wird vom Engagement Zehntausender ehren- und hauptamtlicher Helferinnen und Helfer. Auf der anderen Seite sehen wir, wie rassistische Ressentiments mit erschreckender Hemmungslosigkeit ausgelebt werden", sagte die Generalsekretärin.