"Mir gefällt der markante Ton von Franziskus, wenn er davor warnt, abstrakte moralische Normen zu propagieren. Das habe ich so deutlich noch von keinem Papst gehört", sagte Bedford-Strohm in einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" mit Blick auf das jüngste Papst-Schreiben "Amoris laetitia" (Die Freude der Liebe). Enttäuscht sei er allerdings von der Passage zu konfessionsverbindenden Ehen.
Dort hätte er sich eine Öffnung der Eucharistie für katholisch-evangelische Paare gewünscht. In dem Papst-Schreiben werde wiederholt, beim Abendmahl hätten sich konfessionsverbindende Ehen nach den katholischen Regeln zu richten, fügte Bedford-Strohm hinzu: "Nur in Ausnahmefällen sollen sie es zusammen feiern. Da würde ich mir ein neues Zeichen wünschen: Die Eheleute sollen nicht nur ihr Bett teilen dürfen, sondern auch am Tisch des Herrn gemeinsam willkommen sein."
Wie gehen die Konfessionen mit dem Scheitern um?
Zum Thema Scheidung sagte Bedford-Strohm, dort sei in der Kirche noch mehr Demut nötig: "Denn scheitern kann jeder. Niemand darf sich einbilden, dass ihm das nicht passieren kann. Wir müssen aufhören, über andere zu richten." Beide Konfessionen müssten die brisante Frage beantworten: "Wie gehen wir mit dem Scheitern um?"
Für homosexuelle Partnerschaften wünscht sich Bedford-Strohm mehr Toleranz und Offenheit. Dort gebe es noch Konfliktpotenzial, nicht nur in der römisch-katholischen Kirche sondern auch in protestantischen Kirchen, etwa in Afrika. Ihn störe, dass "Sexualität noch so häufig mit Sünde verbunden wird", fügte Bedford-Strohm hinzu: "Wir sollten lieber über Sünde reden, wenn Hunderte Menschen im Mittelmeer ertrinken."
"Wir sind nicht nur für Verheiratete da"
Die Kirchen dürften nicht mit ihren "Idealen über die Lebenswelt vieler Menschen hinwegsegeln". Die Ehe habe sich bewährt, sagte Bedford-Strohm, "aber wir sind nicht nur für Verheiratete da. Wir müssen unsere Leitbilder auf alle Lebensformen anwenden." Auch Papst Franziskus weise den "alten Richtergeist zurück, gerade in der Sexualität. Dort sind wir besonders verletzlich", betonte der EKD-Ratsvorsitzende, der auch bayerischer Landesbischof ist.
Der EKD-Ratsvorsitzende trifft am Donnerstag im Vatikan mit dem katholischen Kirchenoberhaupt zusammen. Im Vorfeld zollte Bedofrd-Strohm dem Pontifex große Anerkennung: "Diesem Papst Franziskus fühle ich mich verbunden. Als er gewählt wurde und ich seinen Namen als Papst hörte, habe ich einen innerlichen Luftsprung gemacht", sagte Bedford-Strohm der "Zeit".
Die Begegnung im Vatikan ist die erste Zusammenkunft der beiden Kirchenführer. Der 56 Jahre alte Bedford-Strohm, der zugleich bayerischer Landesbischof ist, steht seit fast anderthalb Jahren an der Spitze der EKD. Der 79-jährige Franziskus ist seit drei Jahren im Amt. Bedford-Strohm sagte, der aus Argentinien stammende Papst mache einen großen Eindruck auf ihn: "Das liegt nicht nur an seinem Engagement für Flüchtlinge, sondern auch daran, dass er die Armen ins Zentrum stellt."
Als Gastgeschenk für den Papst hat der lutherische Theologe Bedford-Strohm seine Doktorarbeit mit dem Titel "Vorrang für die Armen. Auf dem Weg zu einer theologischen Theorie der Gerechtigkeit" im Gepäck. Die lateinamerikanische Theologie der Befreiung habe ihn als jungen Wissenschaftler intensiv beschäftigt, sagte der 56-Jährige: "Von meiner Doktorarbeit habe ich zum Weitergeben noch ein letztes Exemplar. Das nehme ich sehr gern zu einem Papst mit, der sich den Namen Franziskus gegeben hat."
Wunden der Trennung und Spaltung der Kirchen
Ein weiteres Thema bei seinem Zusammentreffen mit Papst Franziskus am Donnerstag in Rom werde auch die Ökumene und das Reformationsjubiläum 2017 sein, sagte Bedford-Strohm. Beim Reformationsjubiläum 2017, mit dem die evangelische Kirche an ihren Ursprung durch den Thesenanschlag Martin Luthers vor 500 Jahren in Wittenberg erinnert, gehe es "nicht um protestantische Selbstbeweihräucherung", betonte Bedford-Strohm: "Luther wollte keine Abgrenzung, sondern dass wir neu auf Christus hinweisen. Das werden wir 2017 gemeinsam tun."
Ihn beeindrucke, wie deutlich Papst Franziskus "die Wunden der Trennung und Spaltung unserer Kirchen benannt hat. Dass wir gemeinsam Zeugnis ablegen für die Werte von Barmherzigkeit und Humanität, das ist in Zeiten von Extremismus und Fanatismus im Namen der Religion wichtiger denn je", fügte Bedford-Strohm hinzu. Der EKD-Ratsvorsitzende verwies auf den geplanten Versöhnungsgottesdienst des Lutherischen Weltbundes mit Papst Franziskus im Oktober des laufenden Jahres im schwedischen Lund. Zum Auftakt des 500. Reformationsjubiläums veranstalten der Lutherische Weltbund und der vatikanische Einheitsrat dort am 31. Oktober 2016 eine gemeinsame Gedenkfeier.