Württembergs evangelischer Landesbischof Frank Otfried July verwies auch im Namen seines badischen Bischofskollegen Jochen Cornelius-Bundschuh auf "Stuttgarts Reichtum", nämlich die Menschen aus mehr als 170 Nationen, die in der Stadt gut zusammenlebten. "Wir können Verschiedenheit. Es wäre doch gelacht, wenn wir uns von den Verächtern der Menschlichkeit aus dem Konzept bringen lassen würden", sagte der Bischof.
"Wer das sogenannte Abendland verteidigen will, sollte an das Gebot und die Tradition der Nächstenliebe denken und stolz auf das Grundgesetz sein"
Die Bibel fordere Gastfreundschaft, Nächstenliebe und Hilfe für die Schwächsten. Die Verfassung sei der Rahmen für Vielfalt. "Gerade deshalb sollte, wer das sogenannte Abendland verteidigen will, nicht gotteslästerlich mit schwarz-rot-goldenen Kreuzen herumlaufen, sondern an das Gebot und die Tradition der Nächstenliebe denken und stolz auf das Grundgesetz sein", betonte July.
Zu den Grundwerten gehöre auch die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Der Landesbischof forderte ein Zusammenstehen gegen Gewalt - "als Christen, Muslime, Juden, als Menschen mit religiösen Überzeugungen oder auch als Atheisten".
"Was zählt, ist der Mensch, der Hilfe braucht"
Martina Kastner, Vorsitzende des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Freiburg, machte deutlich: "Was zählt, ist der Mensch, der Hilfe braucht." Kirchlich engagierte Menschen wollten Einladende sein.
Die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Gabriele Frenzer-Wolf rief in die Menge: "Wir wollen keine Hassparolen hören oder lesen! Wir wollen keine Heime brennen sehen!" Es dürfe keinen Wahlkampf auf dem Rücken von geflüchteten Menschen geben. Zugleich verurteilte sie die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht als "abscheuliche Taten".
Es gehöre Mut und Augenmaß dazu, auch über Kapazitätsgrenzen zu diskutieren, sagte Stefan Wolf, Vorstandsmitglied des Verbandes Arbeitgeber Baden-Württemberg. Aber das Schüren von Ängsten dürfe nicht zu der Debatte gehören. Rassismus, Diskriminierung, Sexismus oder gar Gewalt hätten in der Gesellschaft keinen Platz.
Für mehr Patenschaften zwischen Deutschen und Flüchtlingen
Viel Applaus erntete die 29-jährige Khlood Alchikh Saleh, die vor rund einem Jahr aus Syrien nach Deutschland gekommen ist. Offen erzählte sie auf der Bühne von ihrer Flucht und distanzierte sich zugleich von den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht: "Wir sind für die Rechte der Frauen." Dass einige Deutsche die Flüchtlinge ablehnten. bedeute für sie nicht unbedingt gleich Rassismus. "Das ist ihr Recht eigentlich. Wir sind für sie immer noch fremd", sagte die junge Frau und schlug vor, mehr Patenschaften zwischen Deutschen und Flüchtlingen zu vermitteln.