"In viel zu vielen Ländern riskieren Journalisten ihr Leben, wenn sie über brisante Themen recherchieren oder die Mächtigen kritisieren", sagte Britta Hilpert, Vorstandssprecherin von "Reporter ohne Grenzen". "Diese Zahlen zeigen, dass bislang alle internationalen Bemühungen ins Leere laufen, gezielte Gewalt gegen Journalisten zurückzudrängen." In den 67 aufgeklärten Fällen wurden 49 Journalisten gezielt und 18 während der Ausübung ihrer Tätigkeit umgebracht. In 43 Fällen konnten die Motive der Taten nicht zweifelsfrei ermittelt werden.
Schuld daran seien der Mangel an unabhängiger Ermittlung, an politischem Willen oder insgesamt instabile Verhältnisse in den betreffenden Ländern, erklärte die Organisation weiter. Eine weit verbreitete Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten wirke sich zudem negativ aus. Täter fühlten sich so zu Gewalt gegen kritische Stimmen ermutigt.
Die gefährlichsten Länder für Journalisten waren der Irak und Syrien. Dort wurden jeweils mindestens neun Journalisten wegen ihrer Arbeit getötet. Im Jemen starben insgesamt acht. Auf der Liste der Länder mit den meisten getöteten Journalisten findet sich auch Frankreich, was auf das Attentat auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion zurückzuführen ist, bei dem acht Redakteure starben.
"Reporter ohne Grenzen" bezeichnete dies als "charakteristisch für die globale Entwicklung", da fast zwei Drittel aller getöteten Journalisten außerhalb kriegerischer Konflikte starben. Dieses Verhältnis habe sich seit 2014 umgedreht. Auch in Indien und Mexiko sterben regelmäßig Journalisten, die über organisiertes Verbrechen oder heikle Umweltthemen recherchieren. In Bangladesch ermordeten mutmaßliche Islamisten vier säkulare Blogger.
UN-Sonderbeauftragter wird gefordert
"Reporter ohne Grenzen" forderte einen UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten. Er soll die UN-Mitgliedsstaaten zur Einhaltung ihrer völkerrechtlichen Pflichten anhalten und als Frühwarnstelle für akute Gefahren dienen. Im ersten Teil seiner Jahresbilanz hatte "Reporter ohne Grenzen" bis Mitte Dezember 54 entführte und 153 inhaftierte Journalisten verzeichnet. Acht weitere seien verschwunden.
Auch das amerikanische "Committee to Protect Journalists" (CPJ) veröffentlichte seinen Jahresbericht. Demzufolge wurden 2015 69 Journalisten in 20 Ländern während der Ausübung ihres Berufes getötet. 28 der Ermordeten seien Opfer islamistischer Täter, hieß es in dem am Dienstag in New York vorgestellten Bericht. Das Komitee untersuche 24 weitere Todesfälle von Journalisten. Es sei noch unklar, ob diese im Zusammenhang mit der Arbeit der Opfer stehen.
Das "Komitee zum Schutz von Journalisten" ging auch Berichten nach, denen zufolge bis zu 35 Journalisten in der irakischen Stadt Mossul von der Terrormiliz "Islamischer Staat" getötet oder entführt wurden. Man habe nur einige wenige Todesfälle bestätigen können, erklärte das CPJ. Die Organisation dokumentiert Morde an Journalisten seit 1992. 1.175 Journalisten seien seitdem bei der Ausübung ihres Berufes getötet worden.