"Ich glaube: Wenn wir die Flüchtlingskrise erfolgreich bewältigt haben, steht Deutschland stärker da als jemals zuvor", sagte Altmaier der "Bild am Sonntag". Schon heute seien die Identität und das Selbstbewusstsein im Land so groß wie nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Ein positiver Umgang mit den Flüchtlingen werde dies weiter steigern, sagte der Minister: "Ich bin überzeugt, dass viele von denen, die jetzt als Kinder und Jugendliche zu uns kommen, in 20 Jahren begeisterte Deutsche sind."
Die Angst, dass der Zuzug von Flüchtlingen zu höherer Arbeitslosigkeit führen könnte, hält Altmaier nach eigenen Worten für unbegründet. Führende Ökonomen sagten voraus, dass durch die Zuwanderung neue Arbeitsplätze entstünden, sagte er. Zehntausende junge Flüchtlinge würden Arbeits- und Ausbildungsplätze besetzen, für die es seit vielen Jahren keine geeigneten Bewerber gegeben habe, weil der Arbeitsmarkt leer gefegt gewesen sei.
Altmaier bekräftigte die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass die Flüchtlingskrise in jedem Fall zu bewältigen ist: "Wir schaffen das. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Anfangsschwierigkeiten überwinden und die Dinge in den nächsten Monaten zum Besseren wenden können." Deutschland sei wirtschaftlich deutlich stärker als in den 90er-Jahren, als es mehre Millionen Menschen aufgenommen habe, sagte der Minister der Zeitung.
Der Flüchtlingskoordinator sprach sich bei der Aufnahme von Hilfesuchenden für die Einrichtung von Transitzonen aus und kündigte eine schonungslose Aufklärung der Mängel an. "Transitzonen können ein vernünftiges Element sein, aber sie allein können das Problem nicht lösen, " sagte er der "Bild am Sonntag". Die Frage werde gerade in der Koalition besprochen. Er rechne mit einer Entscheidung in den kommenden Tagen, sagte der Kanzleramtsminister.
Oberste Priorität habe aktuell, die Flüchtlingsunterkünfte winterfest zu machen, sagte der Minister: "Unser Ziel ist, dass alle ein Dach über dem Kopf bekommen, ob mit festen Unterkünften oder auf anderem Weg. Ich bin fest davon überzeugt, dass in Deutschland im Winter niemand frieren muss." Einer Enteignung von Privatwohnungen zugunsten der Flüchtlingsunterbringung erteilt Altmaier eine klare Absage.
Einen Vorschlag der EU-Kommission, einen "Flüchtlings-Soli" einzuführen, schloss der CDU-Politiker für Deutschland aus: "Es bleibt dabei: Wir wollen und können die Probleme lösen, ohne in Deutschland Steuern zu erhöhen. Das ist die Politik der gesamten Bundesregierung."
Die insbesondere von der CSU geforderte Nennung einer Obergrenze der Aufnahmekapazitäten lehnte Altmaier ebenfalls ab, da diese nicht seriös zu ermitteln sei. "Und ich befürchte, dass sie den Zustrom noch verstärken würde, weil sich viele Flüchtlinge sofort auf den Weg machen würden", sagte der Minister der "Bild am Sonntag". "Wir müssen begreifen, dass man den Flüchtlingsstrom nicht auf- und abdrehen kann wie einen Wasserhahn."
De Maizière fordert gemeinsame EU-Asylstandards
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat einheitliche Asylstandards in der Europäischen Union gefordert. "Die Höhe der Sozialleistungen sollte keinen Anreiz mehr bieten, in ein bestimmtes Land zu gehen", sagte de Maizière den Zeitungen der Essener Funke-Mediengruppe. Zu einer Lösung der Flüchtlingskrise gehöre daher auch die Verabredung gemeinsamer Asylstandards.
De Maizière warb zudem dafür, das sogenannte Flughafenverfahren, ein beschleunigtes Asylverfahren an Flughäfen, auf die Landesgrenzen zu übertragen. Dafür seien keine großen Transitzonen nötig. "Mir geht es um schnelle Verfahren für Asylbewerber, deren Antrag offensichtlich unbegründet ist", sagte der Bundesinnenminister. Sie könnten in Einrichtungen an der Landesgrenze bis zum Abschluss ihres Verfahrens warten und dann in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden. De Maizière sprach von einem Aufenthalt der Flüchtlinge von Stunden oder Tagen.
Zugleich äußerte der Minister Verständnis für die Beschlagnahmung von privaten Immobilien durch Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen. "Die Bürgermeister und Landräte, die das tun, handeln aus Verantwortung. Sie sollten gelobt und nicht kritisiert werden", sagte er. Niemand nehme gerne einer Schule die Turnhalle weg oder beschlagnahme gerne eine leerstehende private Immobilie. "Bürgermeister und Landräte stehen jeden Tag vor der Aufgabe, neu ankommende Flüchtlinge unterzubringen. Sie wollen Obdachlosigkeit verhindern", betonte de Maizière.
Umfrage: 48 Prozent der Deutschen gegen Merkels Flüchtlingskurs
Im Zuge der Flüchtlingsdebatte sind die Werte für die Union in der Wählergunst einem Bericht zufolge auf den niedrigsten Stand seit der Bundestagswahl gefallen. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der "Bild am Sonntag" verlor die Union zwei Prozentpunkte und kam auf 38 Prozent, wie die Zeitung berichtete. Den Umgang von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der Flüchtlingskrise halten demnach 48 Prozent der Deutschen für falsch und 38 Prozent für richtig. Bei den Unions-Anhängern beträgt der Rückhalt für die Kanzlerin 67 Prozent. Jeder Vierte Unions-Wähler (25 Prozent) hält Merkels Kurs für falsch.
Eine Mehrheit von 50 Prozent der Deutschen teilt allerdings der Umfrage zufolge die Auffassung Merkels, dass Deutschland die Krise bewältigen werde. 45 Prozent glauben das nicht. Bei den Unions-Anhängern sind sogar 71 Prozent der Meinung, dass Deutschland es schaffen werde, wie die "Bild am Sonntag" berichtete. Eine deutliche Mehrheit von 76 Prozent der Deutschen hält es nicht für realistisch, dass sich Deutschland gegen Flüchtlinge abschotten kann. Nur 20 Prozent sind der Auffassung, dies sei durchsetzbar.