Der junge Mann aus Pakistan wohnt in einer Flüchtlingsunterkunft im bayerisch-schwäbischen Unterelchingen. Bei den Alles habe er das erste Mal ein deutsches Essen probiert, sagt er: Spaghetti mit Spinat, zur Vorspeise gab's Salat, als Nachtisch Kuchen. "Es war sehr gut", berichtet Abdullah, "ein toller Abend."
Mittlerweile haben sich die Alles und Abdullah Iqbal schon mehrfach getroffen. Sie machen mit bei der Initiative "Einladung zum Essen", bei der Privatleute bei sich zu Hause Flüchtlingen ein Abendessen servieren. Die Treffen in Ulm und im benachbarten Neu-Ulm organisiert Christine Backes. Seit dem Frühjahr hat die pensionierte Lehrerin rund 40 deutsche Gastgeber mit Flüchtlingen oder Flüchtlingsfamilien an einem Tisch zusammengebracht.
Backes' Vorbild ist das schwedische Projekt "Invitationsdepartementet" der Stockholmer Lehrerin Ebba Akerman. Die Schwedin hatte bemerkt, dass kaum einer ihrer Sprachschüler in Flüchtlingsunterkünften eine einheimische Wohnung von innen kannte. Eine Einladung zum Essen, so Akermans Idee, sei dafür der beste Weg.
Das Projekt breitete sich rasch über Schweden hinaus aus. In Deutschland gibt es die Essenseinladungen mittlerweile in 16 Städten. Die Idee ist immer die gleiche: Gemeinsames Essen verbindet. "Wer zusammen an einem Tisch sitzt, spricht auch miteinander", sagt Christine Backes: "Man sitzt den Flüchtlingen gegenüber, so bekommen sie ein Gesicht. Und sie spüren umgekehrt, dass es bei uns Menschen gibt, die sie unterstützen wollen."
"Es gehört von beiden Seiten viel Mut zu einem solchen Treffen"
Wie in anderen Städten auch, sucht Backes als ehrenamtliche Organisatorin Gastgeber und Gäste, die Interesse haben, und bringt sie dann zueinander. "Das größte Problem dabei ist es, Flüchtlinge zu finden, die sich einladen lassen", berichtet sie. Manche empfänden eine Essenseinladung als Almosen und lehnten sie deshalb ab.
Andere seien unsicher: "Sie wissen nicht, was da auf sie zukommt, und wie man sich verhalten muss." Backes hat mit ihrem eigenen Gast ähnliche Erfahrungen gemacht. Der junge Mann aus Syrien hatte noch nie Spargel gegessen. "Schon gar nicht mit Messer und Gabel", erzählt die Lehrerin von ihrem ersten Treffen. Am Ende sei es aber gut ausgegangen, meint sie lachend.
"Es gehört von beiden Seiten viel Mut zu einem solchen Treffen", meint auch Marie Burneleit. Zusammen mit zwei weiteren Ehrenamtlichen organisiert sie die Initiative "abendesser-connection" in München. Essen schaffe Nähe und Verbindung, so Burneleit: "Aber der Gastgeber muss dafür erst seine Türen öffnen, und der Gast über die Schwelle treten."
Die Münchner Essenseinladungen gibt es seit März. Seitdem habe man erst um die zehn Treffen vermittelt. "Auch wir haben vielmehr Gastgeber als Gäste", sagt Burneleit. Künftig wolle man verstärkt auf Sprachschulen zugehen, um Flüchtlinge für die Idee zu gewinnen. Die Münchner Initiative sieht die gemeinsamen Abendessen vor allem als Möglichkeit für die ausländischen Gäste, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.
Bei Familie Alle und Abdullah Iqbal hat sich aus der Essenseinladung schon mehr entwickelt. Die Alles stehen ihrem Gast bei der Suche nach einer Lehrstelle mit Rat zur Seite, sie waren gemeinsam mit ihm beim Einkaufen - und haben ihn auch schon zu einem Fest bei Freunden mitgenommen. "Durch unsere Treffen habe ich die deutsche Kultur besser kennengelernt", sagt Abdullah. "Das hilft mir sehr."