Die Kanzlerin erläuterte im Interview mit Anne Will ihre Flüchtlingspolitik, die in den vergangenen Wochen viel Kritik vor allem aus den eigenen Reihen geerntet hatte. Besonders scharf kritisierte die CSU Merkels Entscheidungen, die von der bayerischen Schwesterpartei als Einladung nach Deutschland interpretiert worden waren.
Merkel sagte, sie wisse, dass in vielen Orten Menschen bis an die Belastungsgrenze arbeiteten, um dafür zu sorgen, die Flüchtlinge unterzubringen. Sie betonte auch, dass sie keine Politik der offenen Grenzen verfolge.
Gleichzeitig verwies sie aber auf die humanitäre Verpflichtung bei der Aufnahme Schutzsuchender. Sie wolle nicht in einen Wettbewerb eintreten, wer Flüchtlingen das unfreundlichste Gesicht zeige, sagte sie. Einen Aufnahmestopp stellte sie als unrealistisch dar. Der sei nur möglich, wenn man entlang der Grenze einen Zaun errichten würde. In Ungarn habe man gesehen, dass sich die Flüchtlinge dann andere Wege suchen.
Die Regierungschefin sprach sich für einen stärkeren Schutz der EU-Außengrenzen aus, mahnte ihre Kritiker, die eine schnelle Begrenzung der Flüchtlingszahlen fordern, dabei aber zu Geduld. Die Ursachen für die Zahl der Flüchtlinge lägen weitgehend außerhalb des eigenen Landes, sagte Merkel. Um diese Ursachen zu bekämpfen, müsse die Situation in den Flüchtlingslagern in der Region um die Herkunftsländer verbessert werden. Zudem müsse mit der Türkei über Grenzschutz geredet werden. Das dauere länger, als sich manche wünschten.
Erneut wiederholte Merkel den Satz "Wir schaffen das". Die Herausforderung angesichts des Flüchtlingsandrangs sei die vielleicht schwierigste seit der Wiedervereinigung. Sie stelle sich dieser Aufgabe, wolle aber keine falschen Versprechungen machen, sagte die CDU-Parteichefin.
Vehement widersprach sie dem Eindruck, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) entmachtet zu haben, indem die Flüchtlingspolitik nach einem Kabinettsbeschluss von Mittwoch nun stärker im Kanzleramt gebündelt werden soll. Auf die Frage, ob sie ihren Minister entlassen werde, sagte Merkel: "Natürlich nicht. Ich brauche ihn - dringender denn je."