Mogadischu (epd)Wenn Halima Olad morgens zur Arbeit geht, passiert sie Panzersperren, Wälle aus Sandsäcken, Rollen aus Nato-Draht und schwer bewaffnete Soldaten einer afrikanischen Eingreiftruppe. Die Juristin arbeitet in einem Ministerium der somalischen Regierung. Weil diese Regierung aber von der islamistischen Al-Shabaab-Miliz erbittert bekämpft wird, verschanzt sie sich so gut es geht im schwer gesicherten Sitz des Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud. "Die massiven Sicherheitskontrollen sind natürlich ungewohnt", sagt Olad. "Aber ansonsten ist das Leben in Mogadischu fast normal."
Rückkehr nach Somalia
Olad sagt das in akzentfreiem Deutsch. Die 26-Jährige ist in Deutschland aufgewachsen. Als im Januar 1991 in ihrer Heimat Somalia der Bürgerkrieg begann, war sie zwei Jahre alt. Ihre Eltern ergriffen mit den Kindern die Flucht und landeten zufällig in Deutschland.
In welcher Stadt sie aufwuchs, möchte die junge Frau lieber nicht veröffentlicht wissen, ebenso wenig wie ihren richtigen Namen oder das Ministerium, in dem sie arbeitet. Denn Mitarbeiter der Regierung stehen ganz oben auf der Todesliste der Al-Shabaab-Miliz. Aber für Olad war das kein Grund, im sicheren Deutschland zu bleiben: Ende August kehrte sie nach Somalia zurück.
"Viele Leute denken, dass ich verrückt bin, weil ich hierher gekommen bin", erzählt sie in einem der Restaurants auf dem schwer gesicherten Gelände rund um den Flughafen der Hauptstadt Mogadischu. An ein Gespräch in einem der Cafés oder Restaurants in der Innenstadt ist aus Sicherheitsgründen kaum zu denken. "Ich habe immer schon die Verpflichtung gefühlt, eines Tages nach Somalia zurückzugehen und für das Land zu tun, was ich nur irgend tun kann".
Schon als Fünfjährige antwortete sie auf die Frage nach ihrem Berufswunsch, sie wolle Juristin werden und nach Somalia gehen. Als sie das Abitur in der Tasche hatte, studierte sie Jura in England, "weil Englisch schließlich eine Weltsprache ist". Außerdem schien ihr eine Ausbildung im Justizsystem der früheren Kolonialmacht Großbritannien besser geeignet, um später in Somalia arbeiten zu können.
Nach Ende des Studiums fand sie schnell einen Job, wie gewünscht in Mogadischu. "Meine Eltern machen sich natürlich Sorgen", sagt Olad. "Aber gleichzeitig sind sie stolz, dass ich meinen Weg gehe."
Anzahl der Rückkehrer nicht bekannt
Schon nach den ersten zwei Wochen in Mogadischu hat Olad etwa 20 junge und hoch qualifizierte im Ausland aufgewachsene Somalier kennengelernt, die aus aller Welt zurückgekehrt sind. "Sie sind alle genauso motiviert wie ich, jeder hat ganz eigene Ideen und Talente." Es gibt Ärzte, Geschäftsleute, Juristen, Journalisten, sogar eine Sonderpädagogin hat sie getroffen, die eine Einrichtung für Behinderte aufbauen will.
In einem Land wie Somalia gibt es keine Statistik zur Erfassung der Rückkehrer, es war jahrzehntelang Synonym für Anarchie und Gewalt. Erst seit 2012 hat es wieder eine international anerkannte Regierung, aber die ist immer noch schwach. Deshalb weiß niemand, wie viele qualifizierte Arbeitskräfte aus der Diaspora zurückgekommen sind, um beim Wiederaufbau des Staates zu helfen. Aber in Regierung und Parlament, in den neu entstehenden Unternehmen oder am Strand von Mogadischu wird Englisch mit den unterschiedlichsten Akzenten gesprochen.
"Die Diaspora hat eine wichtige Rolle", betont Olad. "Die Rückkehrer müssen den Leuten hier Perspektiven schaffen und dafür sorgen, dass Arbeitsplätze entstehen. Damit die jungen Menschen hier bleiben und sich ein Leben aufbauen, statt an Europa zu denken."
Auch viele Somalier halten Olad für verrückt, weil sie mit ihrem deutschen Pass nach 24 Jahren zurückkam, in ein kriegszerstörtes Land, das sie im Grunde nicht kennt. "Wir wollen mit Booten über das Mittelmeer fliehen, du kommst wieder - können wir nicht tauschen?", werde sie oft gefragt. Die junge Frau mit dem warmherzigen Lachen lässt sich davon nicht beirren. Sie weiß, dass sie in Mogadischu dank ihrer guten Ausbildung ein vergleichsweise privilegiertes Leben führt. Dass sie viel mehr Chancen hat als jene, die niemals ins Ausland geflohen sind und kaum die Möglichkeit hatten, etwas zu lernen. Sie will dafür kämpfen, dass der Unterschied zwischen Rückkehrern und Dagebliebenen mit den Jahren immer kleiner wird.
Wie ein Hamser im Käfig
Bereut hat sie ihre Entscheidung bisher nicht. Trotzdem denkt sie immer wieder mit Sehnsucht an Deutschland. "Ich vermisse vor allem einfache Dinge", sagt Olad, die in Mogadischu ein weites Kleid und Kopftuch trägt, sich in Europa aber westlich kleidet. "Am meisten vermisse ich es, mich draußen frei bewegen oder joggen zu können." In Mogadischu ist das aufgrund der Sicherheitslage unmöglich. "Ich fühle mich, wie ein Hamster im Käfig."
Aber Olad ist davon überzeugt, dass sie das aushalten wird. Sie wird sich einen neuen Alltag aufbauen. Für ihren bislang ungestillten Bewegungsdrang zeichnet sich bereits eine Lösung ab: In Mogadischu gibt es die ersten Fitnessstudios, vermutlich betrieben von Rückkehrern.