"Hotspots - was soll das bringen?"

Prälat Martin Dutzmann spricht im griechischen Idomeni mit Flüchtlingen, die auf den Grenzübertritt nach Mazedonien warten. Rechts hinter ihm der Berliner Bischof Markus Dröge.
Foto: epd-bild/Thomas Lohnes
Prälat Martin Dutzmann spricht im griechischen Idomeni mit Flüchtlingen, die auf den Grenzübertritt nach Mazedonien warten. Rechts hinter ihm der Berliner Bischof Markus Dröge.
"Hotspots - was soll das bringen?"
Ein Besuch von Berliner Kirchenvertretern bei Flüchtlingen in Griechenland
Die Bundesregierung dringt auf die Einrichtung von Registrierungszentren in Ländern mit EU-Außengrenzen, um Flüchtlinge aufzuhalten. An der griechischen Grenze zu Mazedonien ist man skeptisch. Auch der Berliner Bischof Markus Dröge sagte bei seinem Beuch vor Ort: "Die geplanten Hotspots werden die Menschen nicht abhalten weiterzuziehen."

Wenn Vassilis Tsartsanis im Chaos des griechischen Grenzorts Idomeni auftaucht, zaubert er anderen ein Lächeln ins Gesicht. Vassilis kneift einem kleinen afghanischen Mädchen zart in die Nase, wuschelt in den Haaren, ruft "Salam alaikum". Ein ganzer Chor von Menschen antwortet. Sie alle wollen über die Grenze nach Mazedonien, weiter nach Serbien. Danach soll es nach Kroatien, Slowenien, Österreich weitergehen und schließlich dorthin, wo die Gesellschaft als flüchtlingsfreundlich und teils schon Verwandte wohnen. "Allemania" ist oft zu hören - und "Sweden".

Idomeni sei derzeit das Nadelöhr für die Passage nach Mazedonien, erzählt der 42-jährige Vassilis. 6.000 Menschen kommen derzeit pro Tag an, 60.000 insgesamt in den vergangenen zehn Tagen. Vor sechs Wochen waren die Zahlen nur halb so hoch. Vassilis erzählt von den Tagen, als hier noch alles in der Hand von Schleppern war. "Mafia" nennt der Filmemacher die korrupten Netzwerke, die viel Geld von Flüchtlingen verlangen.

Viele Fragen sind offen, Griechenland überfordert

Der Regen, der Matsch, die verzweifelten und erschöpften Menschen haben Vassilis dazu gebracht, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Lange versuchte er vergeblich, Aufmerksamkeit für Chaos und Kriminalität an der Grenze zu Mazedonien zu erlangen. Seit vergangenem September strandeten dort Schutzsuchende, erst seit 20. August gibt es den Ansatz einer Hilfsstruktur. Immerhin schützen jetzt Zelte vor Regen. Der Grenzübergang ist wieder von der griechischen Polizei kontrolliert. "Ärzte ohne Grenzen" leistet medizinische Hilfe. Dennoch fehle noch immer Koordination, sagt der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Kessler: "Moderne humanitäre Hilfe sieht anders aus."

Von geordneten Verhältnissen kann keine Rede sein: Gruppen mit 50 Flüchtlingen werden in große Zelte geschickt, kurz informiert - Tipps für den weiteren Weg, denn niemand hier will in Griechenland bleiben. Für die Reise bekommen die Flüchtlinge das Notwendigste: Wasser, ein bisschen Essen, Hygieneartikel. Registriert wurde von den Asylsuchenden noch niemand und wird es auch hier nicht. Griechenland lässt die Flüchtlinge einfach ziehen.



Fragt man Vassilis, ob die Hotspots, die nach Plänen der EU-Staaten in Grenzländern Flüchtlinge registrieren und verteilen sollen, Abhilfe schaffen können, erntet man einen spöttischen Blick: "Das löst das Problem sicher nicht." Er fürchtet eine neue Abschreckung hinter den "Wartezonen", wie sie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nennt. Die Flüchtlinge würden versuchen, sie zu umgehen, sagt Vassilis. "Das macht die Wege nur gefährlicher - und teurer", sagte er.

Selbst der in Idomeni zuständige Polizist, ein Freund Vassilis', teilt die Skepsis. "Was soll das bringen", fragt er. Bereits mit der Registrierung der Flüchtlinge sind die Griechen derzeit überfordert. Selbst wenn die Hotspots mit Hilfe anderer EU-Staaten errichtet und betrieben werden sollen, scheint derzeit kaum vorstellbar, wie die Struktur bis Ende November stehen soll. Noch sind viele Fragen ungeklärt: Soll das Asylverfahren dort komplett durchlaufen werden? Selbst wenn das nur wenige Tage dauerte, wären beim derzeitigen Andrang Zehntausende Unterbringungsplätze notwendig, erläutert der Polizist.

Bischof Dröge für Aufenthaltsgenehmigung im Voraus

Über die Situation in Griechenland macht sich derzeit auch eine deutsche Delegation der evangelischen Kirche und der Diakonie ein Bild. In den Durchgangslagern im griechischen Idomeni an der mazedonischen Grenze und im serbischen Presovo ist die Situation teils prekär, weil es häufiger stark regnet und bereits jetzt wesentlich kälter ist als noch im Sommer. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte, er habe verstanden, "was das für eine humanitäre, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Herausforderung für uns alle in Europa wird". Gefordert seien alle EU-Staaten, vor allem aber auch reiche Länder wie Deutschland. "Wir werden daran gemessen werden, ob wir darauf eine Antwort finden", sagte Lilie.

Der EKD-Bevollmächtigte Dutzmann betonte, Europa müsse gemeinsam die Herausforderung anpacken, "als Wertegemeinschaft, als die sich die EU hoffentlich immer noch versteht". Die kürzliche Einigung auf die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen bezeichnete er als "Schneise für Einigung in Europa". Auch er betonte aber die starke Rolle Deutschlands und verwies dabei auf die Geschichte. Der Nationalsozialismus sei Urache massenhafter Flucht gewesen. "Deshalb haben wir Verantwortung für Menschen, die geflohen sind", sagte Dutzmann.

"Die geplanten Hotspots werden die Menschen nicht abhalten weiterzuziehen", sagt der Berliner Bischof Markus Dröge. Eine bessere Lösung wären Registrierungsstellen, die auch eine individuelle Beratung anbieten. "Dort sollten Asylsuchende das Land angeben, in dem sie ihren Antrag stellen wollen und dafür eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten", schlägt er vor. Nur so könne auch den Schleppern das Handwerk gelegt werden, sagt Dröge.

Das findet auch Vassilis: Legale Wege seien das beste Mittel gegen die "Mafia". Den Eltern des kleinen afghanischen Mädchens, das ihn nach seinen Albereien schüchtern anlächelt, hat sie bereits 2.400 Euro aus der Tasche gezogen.