Kann es weiter 20 Landeskirchen geben?

Portrait der Bischöfin Beate Hofmann
epd-bild/Andreas Fischer
Beate Hofmann, Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), im Haus der Kirche in Kassel.
Kurhessische Bischöfin Hofmann
Kann es weiter 20 Landeskirchen geben?
Bischöfin Beate Hofmann wünscht sich angesichts sinkender Mitgliederzahlen konsequentere Reformen in der evangelischen Kirche. Sie plädiert dafür, Pfarrerinnen und Pfarrer nicht mehr zu verbeamten. Auch die Struktur mit 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland ist aus ihrer Sicht zu hinterfragen.

epd: Frau Bischöfin Hofmann, die Evangelische Kirche im Rheinland hat kürzlich entschieden, dass sie Pfarrerinnen und Pfarrer nicht mehr als Beamte beschäftigen will. Schon viele Jahre wird in den 20 Landeskirchen wegen der sinkenden Finanzkraft darüber gesprochen. Wie ist die Beschlusslage in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck?

Beate Hofmann: Einen konkreten Beschluss gibt es noch nicht, aber eine Änderung der Anstellungsverhältnisse ist einer unserer Eckpunkte für die Haushaltskonsolidierung, und wir prüfen das. Das hat aber nicht nur finanzielle Gründe. Der Pfarrberuf sollte in der Zukunft aus unserer Sicht anders verstanden werden. Privatrechtliche Anstellungsverhältnisse sind auch im Blick auf die zukünftigen finanziellen Verpflichtungen verlässlicher.

Lassen Sie uns zunächst auf die finanzielle Seite blicken. Was spart die kurhessische Kirche, wenn Pfarrpersonen keine Beamten mehr sind?

Hofmann: Zunächst einmal nichts, weil für eine angestellte Person vom ersten Tag an Sozialversicherungsbeträge zu zahlen sind. Entscheidend ist die langfristige Perspektive: Jede Ordination ist ein goldener Handschlag über mehrere Millionen Euro aufs Leben gerechnet. Die Frage ist schlichtweg: Können wir im Jahr 2060 oder 2070 jemandem seine Pension zahlen? Können wir das noch garantieren? Oder ist es da nicht sinnvoller, wir gehen in den Systemwechsel, wir gehen generell in die allgemeine Rentenversicherung und treten damit Verantwortung für die Absicherung im Alter an die Versicherungsgemeinschaft ab?

Was bedeutet es für das Treueverhältnis von Menschen im Pfarrdienst zur Kirche, wenn sie Angestellte und keine Beamten sind?

Hofmann: Ich glaube, der zentrale Gedanke am Beamtenverhältnis war immer die Alimentationsidee. Ich bezahle einen Menschen dafür, dass er rund um die Uhr im Dienst der Kirche steht. Aber das verändert sich gerade: Eine Pfarrerin oder ein Pfarrer ist nicht mehr sieben Tage die Woche für 24 Stunden ansprechbar. Das ist in den größer werdenden pastoralen Räumen überhaupt nicht mehr zu leisten.

"Eigentlich erwarte ich von allen Treue zur Kirche."

Auch die Kommunikation hat sich verändert. Früher haben die Leute am Pfarrhaus vor der Tür gestanden, heute laufen 98 Prozent des Austauschs über Telefon und E-Mail. Dann spielt ein Dienstsitz in einem Pfarrhaus auch keine große Rolle mehr. Die Frage ist doch: Mit welchem inneren Feuer und mit welcher inneren Haltung arbeite ich für die Kirche? Es gibt sehr engagierte Gemeindereferentinnen, Diakoninnen und Kirchenmusiker im Angestelltenverhältnis. Ist es angemessen, demgegenüber von den Pfarrerinnen und Pfarrern ein besonderes Treueverhältnis zu fordern? Eigentlich erwarte ich von allen Treue zur Kirche.

Sie haben mehrfach betont, dass Sie sich bei der Anstellung von Pfarrerinnen und Pfarrern eine enge Abstimmung unter den 20 Landeskirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wünschen. Die rheinische Kirche will jetzt grundsätzlich nicht mehr verbeamten. Andernorts gibt es bereits Ausnahmen von der Verbeamtung, oft bei Befristungen oder Projektstellen. Ein einheitliches Handeln ist da nicht zu sehen.

Hofmann: Das stimmt. Das Reformtempo ist in der EKD bei allen notwendigen Veränderungen sehr verschieden. Es gibt Landeskirchen wie die unsere, die angesichts von Mitgliederrückgang und Einnahmeverlusten entschlossen handeln, andere sind noch zögerlicher und noch nicht so stark unter Druck. Aber die Prognosen sind eindeutig: Wir müssen unsere Strukturen ändern, wenn wir auch als kleinere Kirche handlungsfähig bleiben wollen.

Seit 2012 gibt es unverändert 20 Landeskirchen. Damals gab es 23,3 Millionen Protestanten in Deutschland, heute sind es 18,6 Millionen. Der Trend wird sich fortsetzen. Stellt sich da nicht die Frage nach einer noch stärkeren Zusammenarbeit bis hin zu Fusionen?

Hofmann: Aus meiner Sicht ja. Und ich gehe auch fest davon aus, dass sich da Dinge verändern werden. An manchen Stellen ist das System der 20 Landeskirchen aus der Zeit gefallen. Das kann man keinem mehr erklären.
Offen ist für mich: Entsteht eine Großkirche und die Landeskirchen hören auf zu existieren? Oder entsteht ein anderes Konzept von Föderalismus?

Wie bewegt sich dabei die kurhessische Kirche?

Hofmann: Wir reden im Moment mit unterschiedlichen Nachbarn: Hessen-Nassau, Pfalz, mitteldeutsche Kirche. Mit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland gibt es starke kulturelle Ähnlichkeiten, und von deren Umgang mit Kirchengebäuden in Thüringen können wir viel lernen und dabei auch kooperieren. Mit der Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau verbindet uns natürlich das Bundesland Hessen.

Wenn es gut läuft, arbeiten wir themenbezogen mit unterschiedlichen Partnern zusammen, und die einzelne Landeskirche wird immer unwichtiger werden. Dann wird es irgendwann einen Punkt geben, wo man sagt: So, und jetzt lasst uns noch mal neu denken. Aktuell in offizielle Fusionsverhandlungen zu gehen, scheint mir mit so viel Aufwand verbunden zu sein, dass ich denke: Lasst uns lieber erst mal inhaltlich und kulturell zusammenwachsen und dann sehen, welche Strukturen sich ergeben.

Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck zählt rund 692.000 evangelische Christinnen und Christen, etwa ein Fünftel weniger als vor zehn Jahren. Das Gebiet der Landeskirche umfasst Nordhessen mit Kassel als Zentrum und Sitz des Landeskirchenamtes, Osthessen mit den größeren Städten Fulda und Hersfeld, das Gebiet um Hanau in Südhessen sowie den Kirchenkreis Schmalkalden in Thüringen.