Experten der christlichen Flüchtlingshilfe haben das Kirchenasyl in sogenannten Dublin-Fällen verteidigt. Zwar habe sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Beispiel verpflichtet, auch bei diesen Fällen humanitäre Härten zu prüfen, sagte die Vorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, am Samstag auf einer Tagung in Leipzig. In den Außenstellen der Behörde passiere dies aber nicht zuverlässig. Auch der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Dutzmann, stellte sich hinter das Kirchenasyl als "letzten Ausweg".
Im Kirchenasyl nehmen Gemeinden Flüchtlinge auf, denen ihrer Einschätzung zufolge im Falle einer Abschiebung Gefahr an Leib und Leben droht. Die Bundesarbeitsgemeinschaft verzeichnete zuletzt Anfang September 297 Kirchenasyle mit 452 Personen, darunter etwa 95 Kinder. Ein Großteil davon waren Dublin-Fälle, den Asylsuchenden droht in diesem Fall also die Abschiebung in ein anderes EU-Land.
Jochims bezeichnete das Kirchenasyl als "Seismograph" in doppelter Hinsicht: "Es gibt nach wie vor zu viele Härten, die unser Rechtsstaat nicht sieht. Und es gibt zunehmend Kirchengemeinden, die sich schützend vor Geflüchtete stellen, um solche besonderen Härten vermeiden zu helfen", sagte die Pastorin.
Dutzmann: "Dublin-System gehört abgeschafft"
Prälat Dutzmann warnte allerdings davor, das Kirchenasyl als politisches Instrument zu nutzen. Das Kirchenasyl sei eine "rein humanitäre Maßnahme einer konkreten Ortsgemeinde", sagte der Theologe. Auf politische Missstände werde an anderer Stelle aufmerksam gemacht, das Kirchenasyl sei nur "in der Summe" Ausdruck dieser Kritik.
Gleichwohl stellte Dutzmann sich deutlich hinter die Institution: Das Kirchenasyl bewege sich zwar rechtlich in einer "Grauzone", müsse aber unbedingt erhalten bleiben, sagte er. Die Sorge um die Fremden habe "von Anfang an zu den elementaren Aufgaben der Kirche und der Christenheit" gehört. Auch kritisierte er scharf das sogenannte Dublin-System. Seiner Ansicht nach sei es unbrauchbar und gehöre abgeschafft, sagte er.
Hintergrund der Tagung ist auch ein Streit mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Dieser hatte den Kirchen vorgeworfen, sich über geltendes Recht zu stellen, indem sie über eine Ausreizung von Fristen beim Dublin-Verfahren dafür sorgten, dass Flüchtlinge in Deutschland bleiben können. In einem Kompromiss einigten sich beide Seiten auf ein neues Verfahren, das feste Ansprechpartner und eine engere Kommunikation vorsieht.
Im Herbst soll die erste Erprobungsphase ausgewertet werden. Dutzmann zufolge werden die Ergebnisse ab Anfang Oktober zunächst intern aufseiten der Kirchen gebündelt, einen festen Termin für den Austausch mit den Behörden gebe es noch nicht.
Auf der Tagung äußerten sich Vertreter aus Gemeinden zumeist vorsichtig positiv über den Kompromiss. Einige begrüßten die neuen Regelungen deutlich und berichteten von geordneteren und zuverlässigeren Verfahren seit der Erprobungsphase. Zu der Tagung, die am Samstagnachmittag endete, waren rund 65 Experten der Flüchtlingshilfe aus Gemeinden und Verbänden sowie Vertreter regionaler Netzwerke in ganz Deutschland gekommen.