Dies erinnere sie an das geteilte Europa, in dem sie aufgewachsen sei, sagte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Montagabend in der ARD-Sendung "hart aber fair". "Jetzt werden solche Zäune errichtet und wir müssen sehen, wie dort Menschen verprügelt werden, die nach Europa wollen", erklärte die Theologin. Diese Bilder seien für sie unerträglich und enttäuschten sie auch.
Wer sich gegen Menschen in Not abschotte, verrate die europäische Idee, unterstrich Käßmann. Zur Entscheidung der Bundesregierung, in den vergangenen Wochen vermehrt Flüchtlinge aufzunehmen, sagte sie: "Ich denke, das war eine Entscheidung, die den Werten unseres Landes entspricht und die sind geprägt von christlichen Werten." Die Politik der Bundesregierung sei ein Akt der Barmherzigkeit gewesen, erklärte die evangelische Pastorin.
An der Diskussionsrunde unter Leitung von Frank Plasberg nahmen auch Markus Söder (CSU), bayerischer Minister für Finanzen und Heimat, der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner, Gergely Pröhle, Staatssekretär der ungarischen Regierung sowie der Politikwissenschaftler Herfried Münkler teil.
Die Runde teilte sich in zwei Lager: Söder und Pröhle verteidigten die Politik der Bundesregierung beziehungsweise Ungarns. Deutschland könne nicht das Flüchtlingsland der Welt sein, denn das überfordere die deutsche Gesellschaft, sagte Söder. Tausende Menschen seien in den vergangenen Wochen unkontrolliert nach Deutschland gekommen. "Die Sogwirkung darf nicht sein. Wir Deutschen helfen, aber Deutschland kann nicht wirklich alle Probleme dieser Welt alleine lösen." Die vorübergehende Einführung der Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen sei der Versuch, "wieder geordnete Verfahren zu haben", sagte der CSU-Politiker.
"Warum begreift sich Europa nicht als Wertegemeinschaft?"
Auch Pröhle zeigte sich erleichtert, dass Deutschland seine Grenzen geschlossen habe. "Die Zustände, die jetzt geherrscht haben, das entspricht einfach nicht der europäischen Rechtsordnung, die wir hier alle unterschrieben haben", sagt der ungarische Staatssekretär. Über die Schengen-Verträge, die die Abschaffung der stationären Grenzkontrollen an den europäischen Binnengrenzen regeln, könne man sich nicht einfach hinwegsetzen.
Käßmann und Stegner stellten dagegen die Wichtigkeit einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik heraus. Der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Ralf Stegner fragte, warum Europa sich nicht als Wertegemeinschaft begreife, in der man sich gemeinsam helfe. Kritik übte er auch an der Priorisierung der europäischen Politik. "Wir haben, als es um Griechenland ging, alle drei Tage europäische Gipfel der Staatschefs gehabt, wenn es um Geld geht, trifft man sich ständig." Hingegen dauere es Wochen und Monate, eine gemeinsame europäische Regelung zur Flüchtlingspolitik zu treffen.