Die Hilfeleistung auf See gehöre zwar zur Ausbildung eines Seemanns, erläuterte Woykos. Doch mit Katastrophen in diesem Ausmaß hätten die Truppen erst jetzt im Mittelmeer erste Erfahrungen gesammelt. "Es ist wie ein Großunglück, das sich immer wieder wiederholt", sagte Woykos. Seelsorgern seien ähnliche Einsätze nur von Massenkarambolagen oder Zugunglücken bekannt.
Woykos lobte das Engagement der Soldaten, die die Situation trotz der Belastung "hochprofessionell" bewältigten. Der Theologe begleitete die Mannschaft der Fregatte "Hessen", die bei ihrem fünfwöchigen Einsatz vor der libyschen Küste mehr als 2.500 Menschen vor dem Ertrinken rettete und in italienischen Häfen absetzte. Die Schiffe "Hessen" und "Berlin" waren Anfang Mai kurzfristig von einem anderen Einsatz abgezogen worden, um die Seenotrettung im Mittelmeer zu unterstützen.
Als Seelsorger biete er Soldaten die Gelegenheit, ihre Erfahrungen zu verarbeiten, sagte Woykos. Diese kümmerten sich stundenlang um die Flüchtlinge. Da sei es gut, dass sich auch jemand um sie kümmere. Besondere Herausforderungen für die Soldaten stellten auch die langen Einsatzzeiten von bis zu fünfeinhalb Monaten und die fehlende Privatsphäre der 250-köpfigen Besatzung dar. Die meisten Soldaten hätten keine eigenen Kabinen und seien zu mehreren auf wenigen Quadratmetern untergebracht, sagte Woykos. "Es gibt kaum Rückzugsmöglichkeiten. Dass es da mal zu Konflikten kommt, ist normal."
Enger Zusammenhalt an Bord
Dennoch gebe es einen engen Zusammenhalt an Bord der "Hessen", berichtete der Marinepfarrer. "Insbesondere die Rettung von Kindern gibt den Soldaten das Gefühl: Wir retten Leben! Das motiviert." Die Geretteten zeigten den Soldaten zudem viel Dankbarkeit.
Seit Juni sind die Bundeswehr-Schiffe "Schleswig-Holstein" und "Werra" im Einsatz vor der libyschen Küste. Nach Bundeswehrangaben retteten deutsche Marinekräfte seit Mai bereits über 6.000 Flüchtlinge.