Wladimir Rudolf hat seinen Platz gefunden, als er nicht hinschauen wollte. Er sitzt im Auto und fährt an der Kirche vorbei, in der er seit elf Jahren Küster ist. Die evangelische Kirche in Soltau in der Lüneburger Heide. Männer fällen die Bäume vor der Kirche. Seine Frau sagt: "Hast du das gesehen?" Wladimir Rudolf sagt: "Nein." Er hat den Kopf weggedreht, um im nächsten Moment zu sagen: "Schnell, fahr zurück."
Wladimir Rudolf läuft zu den Männern und sagt: "Ich habe den Baum vom Pfarrer gekauft, sägt ihn nicht klein. Das ist meiner." Er hat ihn nicht gekauft; aber seine Frau ist schon auf dem Weg zum Pfarrhaus, um für ihren Mann um den Baum zu bitten.
Wie er seinen Traum hinausschob
Aus dem Baum wird Wladimir Rudolfs "Himmelsleiter" und der Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Drei Meter und 65 Zentimeter lang ist die gefällte Buche - ebenso die "Himmelsleiter", die den Teil von Jakobs Geschichte aus der Genesis erzählt, als er auf der Flucht vor seinem Bruder Esau zur Ruhe kommt. Als Gott Jakobs Erde mit dem Himmel verbindet und ihm sagt, dass er seinen Platz gefunden hat.
Um diesen Platz im Leben geht es auch im ZDF-Gottesdienst aus Soltau in der Lüneburger Heide. Drei Gemeindemitglieder erzählen von ihrer persönlichen Suche: Die Jugendliche von ihrer Frage "Wohin führt mich mein Weg?"; der Mann von seiner Unruhe, ob seine Entscheidungen richtig waren und sich fragt: "Ist es das wirklich?"; die Frau von der Hoffnung auf Gottes Gegenwart, die sie vermisst, wenn die immerselben Fragen sie nicht loslassen.
Superintendent Heiko Schütte will in seiner Predigt wissen, ob wir dem Glück deshalb vergeblich hinterherjagen, weil wir nicht wagen, unseren Träumen zu folgen? Wladimir Rudolf erzählt, wie er jahrzehntelang seinen Traum, Bildhauer zu sein, hinausschob. Der Küster-Beruf diente als Brot-Erwerbs-Job für seine Familie. Bis zu dem Zeitpunkt, als er die Geschichte von Jakob in einer Predigt hörte und bis zu dem Zeitpunkt, als der Baum vor der Soltauer Kirche gefällt wurde.
Der Buche ein zweites Leben geschenkt
Er kündigte seinen Küster-Beruf und widmete sich ganz der Bildhauerei. Wladimir Rudolf ist heute überzeugt: wenn Menschen aus Angst oder aufgrund von äußerlichem Druck nicht das tun, was sie in ihrem Inneren fühlen tun zu müssen, "dann ist das ein Verbrechen gegen sich selbst". Ist Wladimir Rudolf glücklich? "Was heißt schon Glück?", fragt er. Auf der Titelseite eines Glanzjournals stehen zu können? "Glück kann auch mal stinkig und schlecht rasiert sein", sagt Wladimir Rudolf. Finanzielle Sicherheit bedeutet seine Entscheidung für die Kunst sicherlich nicht.
Gott verheißt Jakob in seinem Traum das Land, auf das er in dieser Nacht sein Haupt bettete; im Gottesdienst wird aber deutlich, dass es in dieser Geschichte um mehr geht. "Barmherziger Gott, wir bitten dich für alle jungen Menschen, dass sie lernen ihre Gaben zu entdecken und zu leben", "Wir bitten dich, komm' uns entgegen, wenn wir Irrwege gehen", "Wir bitten dich für die Menschen, die geflohen sind oder vertrieben wurden".
So wie Jakob gemerkt hat, Gott kommt ihm in seinem Leben entgegen. Die "Himmelsleiter" aus der Buche, die einst vor der Kirche stand, steht heute wieder dort. Die Gemeinde hat sie, nachdem sie an mehreren Stellen ausgestellt wurde, gekauft. Wladimir Rudolf glaubt, dass Holz die Energie des Ortes speichert, an dem es wächst. Nicht nur der Gezeiten, sondern auch der Menschen. Wladimir Rudolf hat der Buche ein zweites Leben geschenkt: als Verbindung zwischen Himmel und Erde hat sie nun ihren Platz vor der Luther-Kirche Soltau gefunden.