Bei den Bettlerinnen mit Kindern handele es sich um arme Frauen, "die nichts als diese Arbeit auf der Straße haben", um so für ihre Familie zu sorgen, sagte Vesna Lovriv von IniRomnja der "tageszeitung" (Mittwochsausgabe). "Werden die künftig kriminalisiert, haben sie noch weniger Chancen zum Überleben." Das Bettelverbot sei deshalb keine Maßnahme zum Schutz der Kinder, sondern zur Kriminalisierung von Menschen, "die bereits im gesellschaftlichen Abseits stehen". IniRomnja ist ein Zusammenschluss Berliner Roma- und Sinti-Frauen.
Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, nannte das geplante Bettelverbot dagegen einen wichtigen Schritt zum Schutz der Kinder vor Missbrauch. "Eltern, die ihre Kinder zum Betteln auf die Straße und in U-Bahnen schicken, verletzen ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht und sie gefährden die Gesundheit ihrer Kinder", erklärte Hartmann in Köln.
In den "Fängen der Bettelmafia"
Zugleich mahnen die Jugendmediziner aber nachhaltige Hilfen für die Kinder an. Sie müssten aus den "Fängen der Bettelmafia" befreit werden und Perspektiven erhalten, betonte Hartmann. Die Kinder müssten die Möglichkeit bekommen, zur Schule zu gehen, und die Eltern müssten sozialpädagogisch begleitet werden: "Dort, wo die Familien die Bedingungen des Bleiberechts erfüllen, müssen sie Hilfe bei der Integration bekommen", sagte Hartmann.
Auch Lovriv von IniRomnja schlägt mit Verweis auf die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen vor, allen Kindern den Schul- und Kitabesuch sowie den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Zudem müsse das Recht der Kinder auf Wohnraum, persönliche Entfaltung und gewaltfreies Leben garantiert werden. "Deutschland hat die Konvention unterzeichnet und ist verpflichtet, sie einzuhalten", sagte Lovriv. Der Staat habe damit für das Wohlergehen aller Kinder Sorge zu tragen.
Zum Beschluss des Berliner Senats muss jetzt der Rat der Bezirksbürgermeister Stellung nehmen. Der Senat wird dann voraussichtlich erst nach der Sommerpause die Verordnung endgültig beschließen. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) sieht in bettelnden Kindern einen Missbrauch und eine grobe Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht durch die Eltern.
Die Diskussion um ein Bettelverbot für Kinder gab es in Berlin in den vergangenen 15 Jahren immer wieder. Bereits 2002 wurde ein Bettelverbot gefordert, nachdem immer mehr Roma-Kinder zum Betteln auf den Ku'damm geschickt wurden. Zuletzt wurden 2014 entsprechende Forderungen wieder laut. Wohlfahrtsverbände wie die Diakonie warnten dagegen vor einer Kriminalisierung der Mütter und ihrer Kinder.