Auf sich allein gestellt und ohne Perspektive: Viele Jugendliche bekommen vom Jugendamt nicht die Hilfe, die sie brauchen. Mit ihrem 18. Geburtstag werden sie ganz aus der Obhut des Jugendamtes entlassen. Das kann fatale Folge haben.
Stress mit den Eltern, betreutes Wohnen, Schulabbruch, keine Ausbildung: Jugendlichen mit solchen Schwierigkeiten steht ein ganzer Katalog von Hilfsangeboten zur Verfügung. Dennoch sind die Jugendämter in den Kommunen mit diesen sogenannten entkoppelten Jugendlichen oft überfordert. Mit einer am Donnerstag in Berlin vorgestellten Studie des Deutschen Jugendinstitutes im Auftrag der Vodafone-Stiftung hoffen Experten nun auf Änderungen.
Nötig seien flexiblere Hilfsangebote und eine engere Zusammenarbeit der verschiedenen Ämter und Träger in den Kommunen, sagte Birgit Reißig vom Deutschen Jugendinstituts bei der Präsentation der Studie mit dem Titel "Entkoppelt vom System". Die Früherkennung von Risiken müsse verbessert werden, etwa durch Fortbildungen von Lehrern: "Viele der betroffenen Jugendlichen kommen aus stark belasteten Familien, in denen sie emotionale Vernachlässigung, Verwahrlosung und Gewalt erlebt haben", sagte Reißig.
Wenn das Jugendamt erst einmal aufmerksam gemacht wurde, sollte die Hilfe unbürokratisch, niederschwellig und "aus einer Hand" erfolgen, heißt es in der Studie. Hilfreich wären dabei "Übergangslotsen", die die Jugendlichen auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit begleiten.
Schätzungen gehen von mehr als 20.000 "entkoppelten Jugendlichen" aus. Für die Untersuchung wurden Interviews mit jungen Betroffenen, Streetworkern, Sozialpädagogen und Mitarbeitern von Jugendämtern und Jobcentern geführt.
Bei der Vorstellung der Erhebung des Deutschen Jugendinstituts wurde auch auf den volkswirtschaftlichen Nutzen einer frühzeitigen Begleitung dieser Klientel verwiesen: Für jeden in der Jugendhilfe ausgegebenen Euro würden im weiteren Lebensverlauf das Dreifache an Mitteln entweder an staatlichen Ausgaben eingespart oder durch Steuer- und Wertschöpfung Einnahmen zusätzlich erzielt, hieß es.
Frühzeitige Jugendarbeit hilft
Problematisch sei dabei der Übergang in die Volljährigkeit. Ab diesem Zeitpunkt würden die vorher oft intensiv betreuten jungen Menschen aus der Jugendhilfe in die vom Jobcenter finanzierte Selbstständigkeit entlassen. Damit sei die "Gefahr des Scheiterns besonders groß", sagte Reißig.
Deshalb sei Prävention besonders wichtig. Die Studie zeige, dass bei positiven Lebensverläufen der einstmals "Entkoppelten" die Begleitung durch die Jugendsozialarbeit meist sehr frühzeitig begonnen habe.
Der Sprecher der Straßenkinder-Hilfsorganisation Off Road Kids Stiftung, Markus Seidel, forderte den Bund auf, künftig den Kommunen im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, um eine "längere sozialpädagogische Begleitung" der jungen Menschen zu gewährleisten.
Das Deutsche Jugendinstitut hat seinen Hauptsitz in München und eine Außenstelle in Halle an der Saale. Finanziert wird die rund 150 Mitarbeiter umfassende Forschungseinrichtung vor allem vom Bundesfamilienministerium sowie von den Ländern und aus Drittmitteln.