Das Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien hat eingeladen. Dean Vuletic konzipierte die Veranstaltung. Er ist Historiker, Kulturwissenschaftler und Projektmitarbeiter an der Wiener Universität. Sein Lehrangebot in diesem Semester: das Bachelor-Proseminar "Europe and the Eurovision Song Contest".
Zur Veranstaltung gehörten drei Podiumsdiskussionen in den Themenbereichen "Integration und Stereotype", "Konflikt und Diplomatie" sowie "Europa und die Welt". Jede einzelne eingeleitet in einem Impuls-Dialog von Eurovisions-Fan Dean Vuletic und einer Sängerin, deren Weg über die Grand-Prix-Bühne in die Politik führte: Åse Kleveland trat als erste Frau in der Eurovision in einer Hose auf und holte 1966 für Norwegen den dritten Platz, 1986 moderierte sie den ersten Grand Prix in Norwegen und in den 1990er Jahren war sie für die sozialdemokratische Arbeiderpartiet norwegische Kultusministerin.
Ismeta Dervoz trat als Frontfrau der Gruppe "Ambassadori" 1976 bei der Eurovision für Jugoslawien an. 1993 war sie an einer ganz anderen Front tätig, sie kämpfte darum, den ersten bosnischen Beitrag zur Eurovision zu bringen. Von 2010 bis 2014 saß sie für die bürgerliche Partei "Savez za bolju budu?nost Bosne i Hercegovine" im Parlament des Landes und arbeitete in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates mit.
Claudette Buttigieg kennen die Eurovisions-Fans mit ihrem Mädchennamen "Pace", 2000 sang sie für Malta "Desire". Vor zwei Jahren wurde sie für die bürgerliche maltesische Partit Nazzjonalista ins maltesische Parlament gewählt.
Claudette Buttigiegs Grand-Prix-Lied wurde 2001 die offizielle Gay-Pride-Hymne in Großbritannien, sie hatte in ihrer konservativen Partei in den vergangenen Jahren für die Rechte von Schwulen und Lesben gekämpft. Dann unterstützte sie aus der neuen Oppositionsrolle ihrer Partei die Regierung, um eine Verfassungs-Ergänzung auf den Weg zu bringen. Die frisch veröffentlichte europäische Regenbogen-Landkarte der sexuellen Menschenrechts-Gleichberechtigung zeigt einen Sprung Maltas von Platz elf (2014) auf Platz drei (2015). Deutschland hatte die 13 inne und ist um eine Position zurückgefallen.
Mit wenig Geld durch den Belagerungs-Tunnel
Åse Kleveland hatte Ärger mit dem konservativen Bürgermeister der Eurovisions-Stadt Bergen, weil sie zwei Tage vor der Veranstaltung als damalige Präsidentin der Musiker-Gewerkschaft eine flammende Rede zum ersten Mai in Bergen hielt.
Ismeta Dervoz erzählte, mit welchen Anstrengungen sie die Gruppe "Fazla" und deren Lied "Sva bol svijeta" in Kriegszeiten mit wenig Geld durch den Belagerungs-Tunnel aus Sarajevo zur Eurovision nach Millstreet bugsierte. Wien ist 75 Flugminuten von Sarajevo entfernt, aber aus finanziellen Gründen ist Bosnien-Herzegowina heute nicht mehr dabei.
In den Podiumsdiskussionen diskutierten viele: Journalisten von Süddeutscher Zeitung und Jedi'ot Acharonot, Hochschul-Lehrende aus Kanada und den USA, ein österreichischer Parlaments-Abgeordneter und der Botschafter des Kosovo in Wien, Menschen von ORF und EBU, das eine der Österreichische Rundfunk, das andere die Europäische Rundfunkunion.
Sogar der Geschäftsträger der australischen Botschaft in Österreich. Die Deutsche und der Österreicher waren sich kurz über Abstimmungs-Modalitäten uneins und die Tatsache, dass "Ein bisschen Frieden" nur einen läppischen Punkt aus Österreich bekommen hatte. Udo Jürgens war bei seinen drei Auftritten für Österreich von Deutschland komplett ignoriert worden. Als sich Dean Vuletic bei der Norwegerin entschuldigte, weil sie hinter Udo Jürgens nur Dritte geworden war, konterte diese, es sei viel schlimmer gewesen, dass Schweden Zweiter wurde. Trotz dieser Nickeligkeiten war sich Åse Kleveland sicher, was den Zauber des ESC ausmacht: "We are a unity once a year." - "Einmal im Jahr sind wir eine Einheit".
Vielleicht kann man sich in dieses alljährlich wiederkehrende Gefühl der Einheit verlieben. Das deutete auch Brigitte Luggin, als Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der EU-Kommission Österreich, in ihrem Schlusswort an. Sie zitierte Jacques Delors, Mitte der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre Kommissionspräsident der Europäischen Gemeinschaft: "You don't fall in love with a common market; you need something else." - "Sie verlieben sich nicht wegen eines gemeinsamen Marktes; sie brauchen etwas anderes."