Die bisherige Strategie "ist moralisch gescheitert", sagte Europareferent Karl Kopp dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der jetzt von der Europäischen Union (EU) beschlossene Zehn-Punkte-Plan als Reaktion auf die Flüchtlingskatastrophen sei nicht mehr als eine "Wiederkehr des Gleichen".
Pro Asyl begrüße zwar, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mehr für die Rettung von Flüchtlingen einsetzen will. "Doch die Schlepper-Industrie zu bekämpfen, ohne ernsthaft legale Wege nach Europa zu schaffen, wird der Dramatik der Situation nicht gerecht", sagte Kopp, der seine Organisation im Europäischen Flüchtlingsrat vertritt. Am Donnerstag will die EU über den Zehn-Punkte-Plan beraten. Ein Ziel ist es, Schlepperboote zu beschlagnahmen und zu zerstören.
Die Schlepper-Industrie sei mit der auf Abschottung setzenden EU-Politik erst entstanden, erklärte Kopp. Dadurch habe sich ein neuer Markt entwickeln können, der ein knappes Gut bereitstelle: den Zugang zu Europa. Der Experte betonte, Pro Asyl habe keine romantische Vorstellung von Schleppern: "Diese Menschen pferchen 900 Leute auf ein Boot, das nicht fahren kann." Dennoch seien die Flüchtlinge den Schleppern auch dankbar: "Sie wissen, ohne sie komme ich nicht nach Europa." Also bezahlten sie die Überfahrten - und riskierten ihr Leben. Seit dem Jahr 2000 seien 30.000 Menschen auf dem Weg nach Europa umgekommen.
Um zu verhindern, dass sich immer neue Flüchtlingskatastrophen wiederholen, verlangt Pro Asyl, Hunderttausende Menschen von Libyen nach Europa in Sicherheit zu bringen. Außerdem müssten Migranten in Seenot konsequenter gerettet werden. Ferner fordert die Organisation die EU auf, Drittstaaten wie die Türkei, Jordanien oder Griechenland weit mehr zu unterstützen. So müsse die EU der Türkei, wo zwei Millionen geflohene Syrer und Libyer in Lagern untergebracht seien, anbieten, eine große Anzahl dieser Flüchtlinge zu übernehmen.
Kopp erinnerte daran, dass die Anzahl der Flüchtlinge in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sei, obwohl die Grenzen verstärkt gesichert wurden. "Die Menschen aus Eritrea, Somalia oder Mali versuchen aus nackter Angst, auf das europäische Festland zu kommen. Daran wird sich nichts ändern", sagte Kopp. Deshalb müsse sich die EU jetzt entscheiden: "Will sie einen Seefriedhof oder sich auf ihre ursprünglichen Werte wie Menschlichkeit besinnen?"