Ganz gleich, um welchen Dialekt es sich handelt: Wenn Menschen in Mundart fluchen, klingt das meist eher heiter als bedrohlich. Schon allein deshalb ist "Die Kirche bleibt im Dorf" ein großes Vergnügen: weil die handelnden Personen reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist; und weil in praktisch jedem Satz ein Kraftausdruck steckt. Die schwäbische Komödie war ein Überraschungserfolg im Kino und hat den SWR so begeistert, dass er Ulrike Grote (Buch und Regie) noch vor der Kinoauswertung beauftragt hat, eine Serie für das dritte Programm zu drehen. Die weist die gleichen Qualitäten auf, und wenn die ARD ihren Zuschauern den Dialekt des Films zutraut, müsste eigentlich auch die Serie im "Ersten" (etwa am Vorabend) funktionieren. Wer des Schwäbischen nicht mächtig ist, wird zwar nicht alles verstehen, aber die Geschichte lässt sich trotzdem genießen.
Tiefes Schlagloch
Film und Serie basieren auf der gleichen Prämisse: Angeführt von den Clans der Rossbauers und der Häberles pflegen die benachbarten Dörfer Unterrieslingen und Oberrieslingen seit Jahrhunderten eine erbitterte Feindschaft. Aktueller Zankapfel ist ein lebensgefährlich tiefes Schlagloch. Es befindet sich exakt auf der Grenze zwischen den beiden schwäbischen Gemeinden, so dass sich die Dörfler gegenseitig die Zuständigkeit zuschieben. Als sich ein Amerikaner (Gary Smith) für die einst in Oberrieslingen errichtete gemeinsame Dorfkirche interessiert, wittert Bürgermeister Häberle (Christian Pätzold) eine große Chance, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Mr. Jones möchte das Gebäude in die USA transportieren und ist bereit, viel Geld dafür zu bezahlen; und von diesen Millionen würden die Unterrieslinger keinen Cent sehen. Häberle ahnt nicht, dass seine Tochter Klara (Julia Nachtmann) seit einem Jahr mit Peter Rossbauer (Hans Löw) verlobt ist. Sie erzählt ihm von dem Plan, er trägt es brühwarm seiner Mutter weiter, und die Clanchefin der Rossbauers (Elisabeth Schwarz) rächt sich auf ihre Weise: Weil sich der gemeinsame Friedhof in Unterrieslingen befindet, droht sie Häberle mit einem Bestattungsverbot; seine kürzlich beerdigte Mutter wird kurzerhand wieder ausgebuddelt und donnert samt Sarg mitten ins Dorffest.
Grobe Späße dieser Art hat der Film einige zu bieten, doch am erfrischendsten sind die liebenswerten Figuren und ihre Dialoge. Natalia Wörner zum Beispiel, gebürtige Stuttgarterin, spielt Maria, ebenfalls eine Häberle-Tochter, als Sexbombe mit Ausschnitt bis zum Bauchnabel und knallenger Kleidung; aber viel ungewöhnlicher ist ihr ungewohnter Dialekt. Die anderen Darsteller sind ebenfalls samt und sonders Einheimische, weshalb ihr Schwäbisch nicht nach Fernsehmundart, sondern ausgesprochen authentisch klingt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Aber Grote hat auch eine schöne Geschichte zu bieten, denn es stellt sich raus, dass es dem Ami gar nicht um die Kirche, sondern um das darin versteckte uralte Manuskript eines berühmten Dichters geht; Klara und Peter sind nicht die ersten, deren Liebe die Grenze zwischen den beiden Dörfern überwunden hat. Davon abgesehen hat "Die Kirche bleibt im Dorf" eine Vielzahl herrlicher Einfälle zu bieten; in diesem Film ist sogar die Musik (Jörn Kux) witzig.