Hauptfiguren und Handlung sind schamlos geklaut, aber wen interessiert das noch angesichts dieser herrlich überdrehten Komödie: "Zwei Weihnachtsmänner" bietet Christoph Maria Herbst und Bastian Pastewka wunderbare Voraussetzungen für ein komödiantisches Feuerwerk. Die Grundidee hat Autor Tommy Jaud ("Vollidiot") allerdings bei John Hughes abgeschaut, denn der hat vor zwanzig Jahren mit "Ein Ticket für zwei" die gleiche Geschichte schon mal erzählt. "Planes, Trains and Automobiles" (mit Steve Martin und John Candy) hieß der Hollywood-Film im Original.
Stationen einer Irrfahrt
Flugzeug, Zug und Autos sind die Fortbewegungsmittel, mit deren Hilfe die unfreiwilligen Helden in beiden Fällen nach Hause kommen wollen. Für Rechtsanwalt Dilling (Herbst), Experte für Unternehmensrationalisierungen ("Sie feuern, wir feiern"), und seinen Partner wider Willen, den als Verkäufer für Badezubehör völlig unbegabten Handelsvertreter Hilmar (Pastewka), beginnt die Reise im winterlichen Wien. Es ist kurz vor Weihnachten, beide wollen nach Berlin. Ihr Flugzeug landet allerdings in Bratislava, der Zug, in den sie umsteigen, bleibt mitten in der Einöde stehen, und der Weihnachtsmann (Armin Rohde), der sie in seinem Auto mitnimmt, erleidet während der Fahrt einen Herzinfarkt. Sein Navigationsgerät führt sie nach Prag, wo ihnen endlich dämmert, dass der freundliche Rotrock Schnee der ganz besonderen Art mit sich führte; prompt bekommen sie Ärger mit einem stiernackigen Tschechen, der seinen Stoff zurückhaben will.
Selbst wenn der Film im zweiten Teil an Tempo verliert und das Humorniveau dank eines schielenden Polizisten und eines furzenden Hundes etwas abrutscht: Herbst und Pastewka machen das spielend wieder wett. Gerade Pastewka erweist sich zudem als hervorragender Akteur der "physical comedy", wie sie beispielsweise Rowan Atkinson ("Mr. Bean") so vortrefflich beherrscht. Völlig verblüffend ist beispielsweise die Szene, in der Hilmar bei der Passkontrolle eine irrwitzige Grimasse zieht, weil, wie er Dilling erklärt, sein Pass mal auf der Heizung gelegen und sich dabei das Foto verzogen habe; prompt zeigt das Passbild Pastewka mit eben dieser Grimasse. Tobi Baumann, wie Pastewka für seine turbulente Weihnachtsshow-Parodie "Fröhliche Weihnachten!" mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet, inszeniert Wortwitz und Slapstick allerdings gleichermaßen mit Bravour.
Natürlich dient die ganze Irrfahrt letztlich der Läuterung des herzlosen Juristen, der permanent Leidtragender seines Begleiters ("der Poolnudel-Clown") ist und ihn ohnehin als unerträgliche Nervensäge empfindet, ihn aber einfach nicht los wird. Hilmar wiederum ist eine redselige Seele von Mensch, der an jedem Unglück noch eine gute Seite entdeckt; und Pech hat er wahrlich genug. Während er die osteuropäische Odyssee als Frohnatur noch mit Fassung erträgt, bereitet ihm seine Beziehung zu Freundin Ilka (Floriane Daniel) allerdings mächtig Kummer. Auch bei Dillings daheim ist nicht alles in Butter; wer weiß, wie Gattin Luise (Sophie von Kessel) reagieren wird, wenn der Anwalt nicht spätestens an Weihnachten zuhause ist.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das schönste an dem Zweiteiler sind Jauds großartige Einfälle, die Baumann gekonnt in Szene setzt. Sehr hübsch sind zum Beispiel die verzögerten Pointen: Den Zug verlassen die beiden Reisenden nur, weil Hilmar ein halb verschneites Schild sieht, auf dem der nächste Ort in einem Kilometer Entfernung angekündigt wird. Als die beiden übermütig Schneebälle auf das Schild werfen, rutscht der Schnee runter, die ist in Wirklichkeit eine 19; in diesem Moment setzt sich der Zug in Bewegung. Eine verrückte Idee ist auch Hilmars Einfall, der Kälte am Kopf mit aufblasbaren Schwimmringfiguren für Kinder zu trotzen.
Doch ganz gleich, ob die beiden einem Wildschwein begegnen, sich ein Schlauchboot als Schlafstatt teilen, versehentlich eine Hütte in die Luft jagen, mit besagtem Schlauchboot auf der Flucht vor dem ergrimmten Hüttenbesitzer einen verschneiten Abhang hinunter rasen oder sich mit dem tschechischen Drogendealer eine Verfolgungsjagd durchs Prager Nobelhotel liefern: Herbst und Pastewka spielen das so großartig, dass man Tränen lachen muss.