Soldaten, die in Kirchen Musik machen: Stehen sie der adventlichen Friedensbotschaft im Wege? Auch wenn sie auf Einladung von Gemeinden unentgeltliche Adventskonzerte geben und die Einnahmen für gute Zwecke gespendet werden? Der "Dietrich-Bonhoeffer-Verein zur Förderung christlicher Verantwortung in Kirche und Gesellschaft" meinte dazu in dieser Woche: ganz klar ja.
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In einem offenen Brief, der am Mittwoch auch in der Redaktion von evangelisch.de einging, schreibt der stellvertretende Vorsitzende des Vereins, Detlef Bald: "Militarismus in der Kirche ist das falsche Signal der Kirche in dieser konfliktreichen Zeit und begünstigt eine weitere Militarisierung unserer Gesellschaft." Dass die Musikkorps der Bundeswehr rund 50 Adventskonzerte in deutschen Kirchen geben wollten, halte der Verein "angesichts der momentanen, gewaltvollen und kriegerischen Konflikte in der Welt für bedenklich." Und: Die Auftritte seien "unvereinbar mit der Weihnachtsbotschaft, deren zentraler Inhalt für uns der Frieden ist." Der Brief richtet sich an Synode und Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und endet mit der Forderung, "sich grundsätzlich gegen Militärkonzerte in Kirchen auszusprechen!"
Ein Blick in das Programm der insgesamt 14 "Klangkörper" der Bundeswehr - 13 Orchester und eine Big Band - zeigt, dass im Dezember tatsächlich zwölf von ihnen in ganz Deutschland insgesamt 77 Konzerte geben, viele davon in Kirchen. So spielt das "Stabsmusikkorps der Bundeswehr" unter anderem am 10. Dezember im Berliner Dom, das "Heeresmusikkorps Ulm" am gleichen Tag in der Dillinger Basilika. Das Gebirgsmusikkorps tritt einen Tag vorher in der Pfarrkirche St. Martin in Garmisch-Partenkirchen auf. Das "Musikkorps der Bundeswehr" gibt am 8. Dezember in der Evangelischen Kreuzkirche in Bonn ein Konzert, das "Heeresmusikkorps Koblenz" unter anderem am 4. Dezember in der Ludwigskirche in Saarlouis, am 8. Dezember in der Maria Himmelfahrt Kirche Andernach, und so fort. Erobert das Militär also tatsächlich bundesweit Kirchen, jetzt, in der Adventszeit?
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"Wir sind ja nicht die Veranstalter, das dürfen wir derzeit auch gar nicht sein", widerspricht Hauptmann Johannes Langendorf, Presseoffizier am Zentrum Militärmusik der Bundeswehr. Vielmehr sei es so, dass die Kirchengemeinden die Militärmusiker einladen: "Die sprechen uns an und sagen, wir würden gerne ein Adventskonzert mit Ihnen machen, wir haben hier dies oder das Projekt, könnt ihr da nicht spielen?" Die Auftritte der Musikkorps seien für die Gemeinden unentgeltlich, Eintrittsgelder können als Spenden an einen guten Zweck gehen.
Und die These des Bonhoeffer-Vereins, Militärmusik diene als Sympathiewerbung für das Militär? Hauptmann Langendorf rät zunächst einmal dazu, Militärmusik - also jedwede von Uniformierten gespielte - von "Musik mit militärischem Charakter" zu trennen: "Militärmärsche werden sie auf den Adventskonzerten nicht zu hören bekommen", versichert er. "Das ist etwas, was überhaupt nicht in die Kirche passt." In den Konzerten werde stattdessen zu einem wesentlichen Teil geistliche Musik gespielt, Werke von Bach etwa fänden sich in beinahe jedem Programm. Auch andere große Komponisten wie Verdi und Rossini fänden ihren Platz. Oft würden auch Advents- und Weihnachtslieder gesungen, gemeinsam mit den Besuchern.
Dennoch sieht Detlef Bald in den Konzerten ein "Hineinschreiten des Militärs in die Kirche", wie er auf Nachfrage erläutert. Das gelte gerade in der auf Frieden ausgerichteten Adventszeit, "aber auch ganz grundsätzlich": Bald befürchtet durch die Konzerte eine Aufhebung der Trennung zwischen Staat und Kirche. Ähnliches geschehe bei staatlichen Trauerfeiern, die zwar in Kirchen stattfänden, aber einem rein staatlichen Protokoll gehorchten. Auch dass die Musikkorps als Gäste der Gemeinden auftreten, lässt Bald nicht gelten: Die Kirche sei ein privater Raum, kein öffentlicher wie etwa ein Rathausplatz, und das gestehe ihr das Grundgesetz auch zu. "Durch die Konzerte werden Bundeshoheitsrechte in die Kirche getragen."
Militärbischof: "Erfolgsgeschichte des 'Staatsbürgers in Uniform'"
Ziel seines Briefes sei es daher, die Kirche aufzurütteln, "dass sie das nicht zulässt. Und ich will auf diesen öffentlichen Symbolcharakter hinweisen." Im Übrigen sei die Häufung der Konzerte ein ganz neues Phänomen dieser Legislaturperiode, das auf der "Agenda Attraktivität" von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) beruhe. Davor habe es nur ganz selten musizierende Soldaten in Kirchen gegeben.
"Das stimmt nicht", sagt Hauptmann Langendorf. Er selbst sei zehn Jahre lang aktiver Militärmusiker gewesen und habe immer bei Adventskonzerten gespielt. Zudem seien gerade erst vier Musikkorps aufgelöst worden. Er könne sich nicht vorstellen, dass es nun sogar mehr Konzerte geben soll. "Genaue Vergleichszahlen kann ich aber nicht nennen, die hat auch sonst niemand": Denn erst seit April unterstehen alle 14 verbliebenen "Klangkörper" - zuvor waren es 18 - dem Zentrum Militärmusik; davor wurden sie alle von verschiedenen Kommandobehörden verwaltet. "Da kam es auch auf die Vorlieben des jeweiligen Musikkorpsleiters an, welche Konzerte gespielt wurden." Ob in Kirchen, für gute Zwecke – oder beides.
Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink hatte bereits am Mittwoch auf die Kritik des Bonhoeffer-Vereins reagiert. Es gehöre zur deutschen Erfolgsgeschichte des "Staatsbürgers in Uniform", dass Soldaten sich auf so zivile Weise ins gesellschaftliche und kirchliche Leben einbringen, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Ich freue mich, dass in unseren Kirchen Soldaten willkommen sind." Es freue ihn, dass zum Repertoire der Bundeswehr-Musiker neben Marschmusik oder Trauerstücken auch Advents- und Weihnachtslieder gehörten. "Und ich freue mich über die Bereitschaft vieler Musiker - auch im Militär - in der Adventszeit als Kooperationspartner gemeinsam mit Kirchengemeinden Konzerte zu gestalten", sagte Rink.