TV-Tipp: "Spuren"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
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15. Februar, ARD, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: "Spuren"
Die Ereignisse erschütterten den Südwesten und bewegten das ganze Land: Erst wurde in Freiburg eine Studentin tot am Ufer der Dreisam gefunden, wenige Wochen später wurde die Leiche einer vermissten Joggerin im Wald entdeckt. Eine Krimiserie.

In der Region, erinnert sich Peter Egetemaier, damals Kripochef von Südbaden, gab es "eine gewisse Schockstarre"; speziell Frauen hätten sich nicht mehr auf die Straße getraut. Nun präsentiert der SWR eine Miniserie über diese beiden Verbrechen aus dem Jahr 2016, aber "Spuren" unterscheidet sich ganz wesentlich vom üblichen TV-Krimi: Die vier Folgen befassen sich fast ausschließlich mit der beharrlichen Polizeiarbeit, die sich über mehrere Monate hingezogen hat. Die Drehbücher von Robert Hummel und Martina Mouchot basieren auf dem Sachbuch von Polizeisprecher Walter Roth ("Soko Erle"). Das Duo hat zudem mehrere Sachverständige aus den Bereichen Rechtsmedizin und Kriminalistik zu Rate gezogen, um das Vorgehen der Soko so authentisch wie möglich schildern zu können.

Natürlich erlaubt sich die Serie einige Freiheiten, schließlich ist "Spuren" keine Dokumentation, sondern eine verdichtete Fiktion auf der Basis von Tatsachen. So gab es damals beispielsweise keineswegs nur eine Sonderkommission. Außerdem ist aus Gründen der Dramaturgie die Reihenfolge der beiden Morde vertauscht worden. Frei erfunden sind neben den Schauplatzen auch die Soko-Mitglieder: Nina Kunzendorf spielt eine Kriminaloberrätin, die kürzlich aus familiären Gründen als Kripochefin in den Breisgau zurückgekehrt ist. Einheimische werden einwenden, dass nicht alle Dialekte passen, weil beispielsweise Tilman Strauß als Stellvertreter gebürtiger Ulmer ist, aber da die Handlung ohnehin nicht konkret verortet ist, könnte sie genauso im Schwäbischen spielen. Viel entscheidender ist der nahezu völlige Verzicht auf einen Aspekt, der in den meisten Krimis für die Identifikation des Publikums mit den Hauptfiguren sorgt: Persönliche Befindlichkeiten spielen hier keinerlei Rolle, es geht einzig und allein um die Sache. Die Redaktion wollte "die innere Geschichte" der beiden Fälle erzählen. 

Die erste Folge beginnt mit dem Verschwinden: Stefanie Berghoff ist vom Joggen in den Weinbergen nicht zurückgekehrt. Das halbe Dorf beteiligt sich an der Suche, dann übernimmt die Kripo. Eine Hundertschaft durchkämmt die Gegend rund um ihre übliche Laufstrecke; schließlich findet ein Spürhund die Leiche. Die junge Frau ist missbraucht und erschlagen worden, und fortan schwebt über den Ermittlungen die bange Frage: "War es einer von uns?" Aus Sicht der Polizei würde dies die Suche nach dem Mörder vereinfachen; ein auswärtiger Zufallstäter wäre längst über alle Berge. Als drei Wochen nach Stefanies Tod eine zweite Frau ermordet wird, ist bereits von einem Serientäter die Rede. 

Regie führte Stefan Krohmer, für den "Spuren" ein eher ungewöhnlicher Stoff ist. Der mehrfache Grimme-Preisträger hat zwar schon Krimis inszeniert, darunter zuletzt auch einen "Tatort" aus Freiburg ("Letzter Ausflug Schauinsland", 2024, ebenfalls über einen Frauenmord), aber charakteristisch für seine Arbeit ist in der Regel die Konzentration auf die Motive seiner Figuren, die diesmal jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Trotzdem geht es zuweilen durchaus emotional zu, zumal die Stimmung regelmäßig wechselt: Auf einen vermeintlichen Durchbruch folgt erst Euphorie, dann Enttäuschung, wenn die Spur doch wieder bloß ins Nichts führt. Anspannung und Müdigkeit entladen sich mal in freundlichen Neckereien, mal in Feindseligkeit gegenüber der Teamchefin. Ein Merkmal von Krohmers Filmen ist die geduldige Beobachtung, und in dieser Hinsicht ist der Stoff wie für ihn geschaffen: Die Kamera (Ahmed El Nagar) treibt die Geschichte nicht voran, sondern schaut bloß zu; selbst die zurückhaltend eingesetzte Musik (Stefan Will) sorgt nur gelegentlich für Spannung.

Typisch für diese Zurückhaltung ist die Szene, als die Studentin in der Dämmerung auf dem Heimweg vom Rad gerissen wird: Krohmer zeigt den Überfall aus der Ferne und gänzlich ohne Musik; nur ein Schrei ist zu hören. Ähnlich diskret sind die Bilder aus der Rechtsmedizin; die Kamera bleibt auf Distanz. Trotz des fast dokumentarischen Ansatzes lebt "Spuren" auch von den darstellerischen Leistungen. Neben Nina Kunzendorf und Tilman Strauß tut sich in dieser Hinsicht vor allem Božidar Kocevski hervor, aber auch Aliki Hirsch und Atrin Haghdoust hinterlassen bleibende Eindrücke. Am stärksten imponiert jedoch die Freude am Ermittlungsdetail, mit der Hummel, Autor unter anderem der "Jägerin"-Krimis mit Nadja Uhl (ZDF), und Mouchot die Leistung der Soko würdigen.