Ein guter Regisseur war Johannes Fabrick immer schon. Seit einigen Jahren bewegt er sich jedoch kontinuierlich auf einem Niveau, das ihn zu den derzeit besten Fernsehfilmregisseuren zählen lässt; und das keineswegs erst seit dem Grimme-preisgekrönten Drama "Der schönste Tag". Regelmäßig greift der Wiener zudem Themen auf, die an die Substanz gehen. Dass es dabei zuletzt mehrfach ums Sterben ging, mag Zufall sein. Andererseits sind diese Stoffe bei Fabrick außerordentlich gut aufgehoben: Er scheut nicht davor zurück, große Gefühle zu inszenieren, kommt dabei aber ohne Melodramatik aus. Das hat natürlich eine Menge mit der Führung der Darsteller zu tun. Gerade angesichts der enormen Emotionalität, die jede Geschichte über das Sterben birgt, ist die schauspielerische Glaubwürdigkeit um so wichtiger; falsche Töne oder übertriebene Mimik können die fragile Wirkung im Nu zerstören.
Aggressive Krankheit
Entsprechend groß war die Herausforderung für Heino Ferch, denn der von ihm verkörperte Hamburger Bühnenbildner Peter muss gleich zwei existenzielle Dramen durchstehen: Nachdem seine Exfrau (Birge Schade) jahrelang jeden Kontakt zum mittlerweile 17jährigen Sohn Lukas (Max Hegewald) unterbunden hat, darf ihn der junge Mann endlich besuchen. Peter hat nicht mehr viel Zeit: Bei einer Untersuchung ist eine besonders aggressive Form von Leukämie festgestellt worden. Das Ergebnis hat er allerdings erst erfahren, nachdem er sich um ein Wiedersehen mit Lukas bemüht hat, aber das kann der Junge natürlich nicht ahnen, als er beim Stöbern auf einen Brief des Arztes stößt: Wenn Peter keinen Stammzellenspender findet, muss er sterben. Prompt ist Lukas überzeugt, der Vater habe die Versöhnung bloß eingefädelt, um ihn zur Knochenmarkspende zu überreden.
Heino Ferch muss schon lange nicht mehr beweisen, dass er nicht bloß harte Kerle verkörpern kann, aber diese schwierige Rolle ist auch für ihn eine Herausforderung. Und gleichzeitig ein Glücksfall, denn Peter durchlebt diverse Höhen und Tiefen: von den schönen Momenten mit seiner Freundin (Julia Koschitz) und der Euphorie, als die Versöhnung mit Lukas gelingt und der Junge zudem Talente und Eigenschaften offenbart, die Peter von sich selber kennt; bis hin zu den tieftraurigen Augenblicken, als das Band zwischen Vater und Sohn endgültig zu zerreißen droht. Je mehr Peter sich bemüht, nicht die Fassung zu verlieren, um so bewegender ist Ferchs Spiel. In diesen Szenen zeigt sich zudem das herausragende Talent Fabricks: Auch Bildgestaltung und Musik halten sich zurück; auf diese Weise bereitet er seinem Hauptdarsteller eine große Bühne. Fast noch imposanter ist die Leistung des jungen Max Hegewald, der schon als Darsteller der Titelrolle in der Lenz-Verfilmung "Arnes Nachlass" so beeindruckte. Nicht minder sehenswert ist Julia Koschitz, nach "Der schönste Tag" und "Pass gut auf ihn auf!" mittlerweile eine Art Stammspielerin bei Fabrick.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Großer Respekt gebührt auch Autorin Astrid Rupper (zuletzt unter anderem "Einmal Bauernhof und zurück"), denn über den offenkundigen Konflikt hinaus handelt ihre Geschichte ganz grundsätzlich von den Beziehungen zwischen Söhnen und Vätern: Auch Peter gerät regelmäßig mit seinem Vater (Friedrich von Thun) aneinander. Sehr schön ist auch das zweifach zentrale Motiv des Himmels, nach dem Peter sucht: einmal als Hintergrund eines Bühnenbildes, einmal als spiritueller Ort; schon allein die entsprechenden Bilder von Fabricks favorisiertem Bildgestalter Helmut Pirnat sind schmerzlich schön.