Den Film "Der Minister" muss man schon allein deshalb schätzen, weil Politsatiren hierzulande außerhalb des Kabarettbetriebs ausgesprochenen Seltenheitswert besitzen. Abgesehen vom Klamaukfilm "Horst Schlämmer – Isch kandidiere!" scheinen Sender und Produzenten große Furcht zu haben, sich an Geschichten über das Zentrum der Macht die Finger zu verbrennen; erst recht, seit der Publikumszuspruch zur ZDF-Serie "Kanzleramt" (2005) weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Politstoffe haben nur dann eine Chance, wenn es um Zeitgeschichte geht, die bereits als Historie gilt. Umso mehr Respekt gebührt Sat.1; mit den Filmen "Der Minister", "Der Rücktritt" und zuletzt "Die Staatsaffäre" hat sich der Privatsender auf riskantes Terrain gewagt.
Aufstieg und Fall eines Polit-Popstars
Mittlerweile ist Karl-Theoder zu Guttenberg etwas in Vergessenheit geraten, aber vor eineinhalb Jahren zur Erstausstrahlung dieses Films waren die Ereignisse rund um seine Karriere noch in bester Erinnerung. Deshalb musste Autorin Dorothee Schön auch nicht alles erklären, weil die meisten Zuschauer die authentischen Bilder noch im Kopf hatten. Gerade deshalb bereitet der Film nach wie vor auch so ein großes Vergnügen: Guttenbergs Karriere war derart eng mit der medialen Aufmerksamkeit verknüpft, dass viele seiner Auftritte ins kollektive Bewusstsein eingebrannt sind. Regisseur Uwe Janson brauchte seinen formidablen Hauptdarsteller Kai Schumann, der als Figur Franz Ferdinand zu Donnersberg heißt, bloß in entsprechender Pose auf den New Yorker Times Square postieren; der Rest funktioniert quasi von selbst.
Ähnlich treffend besetzt wie Schumann ist Thomas Heinze als "Bild"-Chef Kai Diekmann, der hier Jan Breitmann heißt; seine Postille, der "Blitz-Kurier", hat maßgeblichen Anteil am Erfolg Donnersbergs, denn die unglaubliche Geschichte von Aufstieg und Fall eines Polit-Popstars ist selbstredend der Kern des Films. Um die rasante Karriere zu erklären, hat Schön, für Filme wie "Frau Böhm sagt nein" und "Der letzte schöne Tag" vielfach ausgezeichnet, einen Strippenzieher erfunden: Schon zu Schulzeiten pflegte der Adelsspross fleißig bei Max Drexel (Johann von Bülow) abzuschreiben. Der ist zwar ein brillanter Kopf, aber bei öffentlichen Auftritten äußerst gehemmt. Also wird er wie Cyrano de Bergerac zum Einflüsterer seines Freundes, der sich zwar erlesen auszudrücken weiß, dabei aber nur heiße Luft produziert. "Donni" avanciert zum Liebling der Massen; selbstredend schreibt ihm Max auch die Doktorarbeit.
Die Idee mit dem "Ghostwriter" ist Fiktion, der Rest ist Realität, und die war im Grunde schon derart satirisch, dass Schön sie nur ein bisschen zuspitzen musste. Kurzweiliger als die pointierten Dialoge und die Vielzahl amüsanter Details (Seehofers Modelleisenbahn!) sind nur die Bosheiten am Rande, wenn beispielsweise Gattin Viktoria um jeden Preis eine eigene Medienkarriere machen will und sich bei Breitmanns Frau Karin (Susan Sideropoulos) abschaut, was am besten funktioniert. Alexandra Neldel spielt diese vergleichsweise kleine Rolle richtig gut. Etwas zu viel Platz räumt Schön dagegen dem Eheleben von Max Drexel ein: Seiner Frau Lisa (Stefanie Stappenbeck) stinkt es gewaltig, das Max sein Leben voll und ganz Donnis Bedürfnissen unterordnet. Andererseits ist diese Beziehungskrise der Anfang des unaufhaltsamen Abstiegs von Franz Ferdinand zu Donnersberg.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Doch bei allem Respekt für die formidable Leistung Kai Schumanns und die Körperspannung, mit der er "Donni" versieht: Heimlicher Star des Films ist Katharina Thalbach als Angela Murkel. Sie hat die mit Abstand besten Dialoge, stattet die Kanzlerin mit liebenswerten Marotten aus und sorgt bei den Ausflügen in die heimische Uckermark zum Gatten (Peter Prager) mehrfach für erstaunliche und äußerst vergnügliche Einblicke ins Privatleben der mächtigsten Frau der Welt, zumal Janson diese Augenblicke mit lässiger Beiläufigkeit inszeniert.