Der Journalist und Publizist Peter Scholl-Latour ist tot. Er starb im Alter von 90 Jahren am Samstagmorgen nach schwerer Krankheit in Rhöndorf am Rhein bei Bad Honnef, wie der Propyläen Verlag in Berlin mitteilte. Bundesregierung und Fernsehsender würdigten das Lebenswerk des langjährigen Fernsehkorrespondenten und Autors zahlreicher Bücher.
Den deutschen Fernsehzuschauern wurde Scholl-Latour vor allem mit seinen Reportagen aus Kriegs- und Krisengebieten von Vietnam über den Iran bis zu Afghanistan bekannt. Immer wieder begleitete er historische Momente mit seinen Filmbeiträgen und Kommentaren. So berichtete er während seiner Zeit als Afrika-Korrespondent der ARD Anfang der 1960er Jahre über die Unabhängigkeitskriege.
Zuvor hatte der in Bochum geborene Sohn deutsch-französischer Eltern in Mainz und Paris Philologie und Politikwissenschaft sowie Arabistik und Islamkunde in Beirut studiert. Seine journalistische Laufbahn begann 1948 mit dem Volontariat bei der "Saarbrücker Zeitung". 1960 ging er zum Fernsehen. Nach seiner Zeit als Afrika-Korrespondent und ARD-Studioleiter in Paris war er von 1969 bis 1971 Programmdirektor beim WDR-Fernsehen.
Seine Heimat: Die Konfliktherde der Welt
1971 wechselte Scholl-Latour als Chefkorrespondent zum ZDF, wo er von 1975 bis 1983 zudem das Pariser ZDF-Studio leitete. Für den Sender reiste er unter anderem nach Vietnam, Kambodscha, China, Afghanistan und in den Iran. 1973 gegen Ende des Vietnamkrieges wurde er mit seinem Kamerateam von den kommunistischen Vietcong gefangen genommen. Als er nach einer Woche wieder freigelassen wurde, zeigte er Bilder aus dem Alltag der Dschungelkämpfer und äußerte den Eindruck, "dass man zum ersten Mal die Grenzen der Macht der USA erkennt".
1979 gehörte Scholl-Latour zu den Journalisten, die den Ayatollah Chomeini im Flugzeug bei seiner Rückkehr aus dem Pariser Exil in den Iran begleiteten und während der "Islamischen Revolution" mehrfach interviewen konnten. Der Islam blieb sein Thema auch später als Publizist und Autor von Dokumentarfilmen und zahlreichen Büchern. In seinem Buch "Allah ist mit den Standhaften" (1983) warnte er vor der wachsenden Bedeutung der Religion für die Politik in islamischen Staaten.
Bis ins hohe Alter bereiste er zahlreiche Länder, interessierte sich für fremde Kulturen, sprach mit einfachen Menschen ebenso wie mit Regierungschefs. So interviewte er 2011 Syriens Staatschef Baschar al-Assad. Für die Medien war Scholl-Latour ein gefragter Ansprechpartner für die Themenbereiche Islam und Naher Osten, er kam in vielen Fernsehdiskussionen zu Wort.
Für seine journalistische Arbeit erhielt er zahlreiche Preise, unter anderem den ersten Henri-Nannen-Preis (2005). Sein Buch "Der Tod im Reisfeld" (1979) gehört mit 1,3 Millionen verkauften Exemplaren bis heute zu den am meisten verkauften Sachbüchern in Deutschland. Sein letztes Buch wird im September erscheinen. "Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens im Orient" nimmt nach Angaben des Verlags die aktuellen Krisenherde im Nahen Osten und in der Ukraine in den Blick.
"Wir haben einen großen Journalisten und Reporter verloren"
Politik und Kollegen würdigten Scholl-Latour als großen Journalisten. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erklärte, Deutschland verliere "einen der letzten großen journalistischen Welterklärer". Als meinungsstarker Fernsehjournalist an allen Brennpunkten der Welt, "haben ganze Generationen die Welt mit seinen Augen gesehen", erklärte Grütters in Berlin. Gregor Gysi, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Linken, nannte Scholl-Latour "eine sehr eigenständige, sehr eigenwillige und herausragende Persönlichkeit".
WDR-Intendant Tom Buhrow sagte: "Wir haben einen großen Journalisten und Reporter verloren." Der frühere ARD-Auslandskorrespondenten und WDR-Fernsehdirektor bleibe ein Vorbild für alle Journalistinnen und Journalisten. "Mit seinen Erfahrungen, Erlebnissen und Einschätzungen bereicherte Peter Scholl-Latour unsere Arbeit und unsere Sicht auf die Welt."
ZDF-Intendant Thomas Bellut würdigte Peter Scholl-Latour als "wahrhaft furchtlosen Reporter in allen Teilen der Welt". Mit seinen Filmen und Büchern habe er in seiner ganz eigenen Art nachhaltig das Bild der Menschen von der arabischen Region, aber auch von Asien und Afrika geprägt. "Einen wie ihn wird es nicht mehr geben."