Der Bundestag sollte nach den Worten des neuen evangelischen Militärbischofs Sigurd Rink ohne Fraktionszwang über mögliche weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr entscheiden. Erforderlich sei eine breite Zustimmung im Parlament, sagte er der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstagsausgabe). Rink warb zugleich für Zurückhaltung beim deutschen Militärengagement: "Wir müssen dreifach nachdenken, bevor wir uns für den Waffeneinsatz entscheiden."
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Wenn Waffen ein größeres Unheil verhinderten, könne allerdings eine Situation entstehen, "in der man nicht zögern sollte", ergänzte der Geistliche. Man werde auch durch Unterlassen schuldig. Rink erinnerte an den Völkermord in Ruanda 1994, als unter den Augen der Weltöffentlichkeit 800.000 Menschen umgebracht wurden. Damals seien UN-Soldaten dabeigestanden und hätten nicht eingreifen dürfen, so der Militärbischof. "Das hat mich geprägt."
Der Fraktionszwang wird im Bundestag in der Regel nur bei wichtigen Gewissensentscheidungen aufgehoben, etwa bei Themen wie Präimplantationsdiagnostik oder Sterbehilfe. Bei der Entscheidung über die Entsendung eines deutschen Kriegsschiffes zum Schutz der Chemiewaffenvernichtung in Syrien im April hatte erstmals die Linksfraktion den Fraktionszwang für ihre Mitglieder aufgehoben. Einige von ihnen stimmten der Entsendung zu.
Deutschland hat nach Rinks Einschätzung eine "kritische Lerngeschichte mit militärischer Gewalt". Deshalb sollte die Bundesrepublik bei der Entscheidung über Einsätze "Zurückhaltung in millitärische Optionen einbringen". Dies werde Länder herausfordern, die weniger Probleme mit Waffeneinsätzen hätten, sagte der Geistliche. Rink ist seit Mitte Juli im Amt. Er ist der erste hauptamtliche Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In der Evangelischen Militärseelsorge arbeiten zurzeit 101 Geistliche, darunter 17 Frauen.
Bundespräsident Joachim Gauck hatte kürzlich gefordert, dass Deutschland sich mehr außenpolitisch engagieren müsse. Dazu gehöre auch, militärische Einsätze "als letztes Mittel nicht von vornherein zu verwerfen". Die Anregung hatte eine breite öffentliche Debatte ausgelöst. Gegenwärtig befinden sich 4.350 Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz.