Filmkritik der Woche: "Verblendung"

Filmkritik der Woche: "Verblendung"
Und wieder ein Remake: David Fincher hat Stieg Larssons Bestseller "Verblendung" neu verfilmt. In den Hauptrollen: Daniel Craig und Rooney Mara.
10.01.2012
Von Kai Mihm

David Fincher und Stieg Larssons Bestseller "Verblendung", das klingt nach einer perfekten Verbindung von Regisseur und Material: Ein mehrfach erprobter Könner des Serienkiller-Genres nimmt sich einen der populärsten Serienkiller-Romane der letzten Jahre vor.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Stockholmer Journalist Mikael Blomkvist, der gerade von dem Großunternehmer Wennerstrom wegen Verleumdung verklagt wurde. In dieser Situation erhält er von dem alternden Industriemagnaten Henrik Vanger den lukrativen Auftrag, sich auf die Suche nach dem Mörder seiner geliebten Großnichte zu begeben, die vor 40 Jahren spurlos verschwand.

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Der schwerreiche, heillos zerstrittene Vanger-Clan lebt auf einer abgelegenen Privatinsel in Nordschweden. Blomkvist quartiert sich auf dem eingeschneiten Eiland ein und kommt mit Unterstützung der gleichermaßen genialischen wie unberechenbaren Hackerin Lisbeth Salander einem Serienkiller auf die Spur.

Seit der ersten Ankündigung wurde Finchers Umsetzung des Stoffes mit großer Spannung erwartet. Und tatsächlich ist das Ergebnis in vielerlei Hinsicht so gelungen, wie die ersten Bilder und Ausschnitte erwarten ließen. "Verblendung" ist visuell und akustisch betörend, ein Meisterstück in Sachen filmischen Handwerks.

Auch die Besetzung ist bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragend. Selten sieht man im heutigen, auf Effizienz getrimmten Erzählkino Hollywoods so oft Menschen auf Reisen, an Bahnhöfen, beim Rauchen, beim Zubereiten einer Mahlzeit oder beim Eingießen eines Drinks.

Dankenswerterweise haben Drehbuchautor Steve Zaillian und Fincher die feministische Perspektive der Vorlage auf die Leinwand gerettet. Das Motiv männlicher Kontrollgier taucht dabei nicht nur in Gestalt eines Vergewaltigers und des Serienkillers auf, sondern klingt auch im fortwährenden Ausspionieren von Gegnern und Mitarbeitern sowie dem Konflikt zwischen Blomkvist und Wennerstrom an.

In dieser durch und durch maskulinen Welt mutet die Punk-Goth-Rockerin Lisbeth Salander wie eine feministische Ermächtigungsfantasie an. Ihre staatliche Einstufung als gesellschaftlich inkompatibel muss man als Auszeichnung verstehen. Ihr Charakter, der sich in bester Howard-Hawks-Manier fast ausschließlich durch "Action" erschließt, gibt der Geschichte ein emotionales Gravitationszentrum.

Eine "Fledermaus aus der Hölle" hat David Denby sie im "New Yorker" genannt, wobei ihre ganz persönliche Hölle offenbar schon in jungen Jahren von Männern gemacht wurde. Auf ihrem pechschwarzen Motorrad rast sie in ständigen Kurvenbewegungen geschmeidig durch die Gegend. Auffallend der Kontrast zu den Zügen und den schweren Limousinen des Films, die den Menschen keinerlei Bewegungsspielraum zu lassen scheinen.

Kein Anflug beherrschender Dominanz

Auch die Erzählung selbst gewinnt erst richtig an Fahrt, als Salander und Blomkvist nach rund einer Stunde zusammentreffen. Bemerkenswert verletzlich und hilflos wirkt der muskulöse Daniel Craig neben ihr. In der Sexszene der beiden gibt es keinen Anflug beherrschender Dominanz.

Und ist es ein Zufall, dass der sympathische Industriebaron Henrik Vanger von Christopher Plummer verkörpert wird, in dessen Gestik und Mimik stets etwas Feminines mitschwingt? Die Darstellerin der Lisbeth, Rooney Mara, gibt zwischen all den gestandenen Mannsbildern jedenfalls das, was man im Englischen eine "star-making performance" nennt. Ihr ist es zu verdanken, wenn man die Adaption des nächsten Romans nicht erwarten kann.

USA/S/GB/D 2011.Regie: David Fincher. Buch: Steve Zaillian ( nach dem Roman von Stieg Larsson). Mit: Daniel Craig, Ronney Mara, Christopher Plummer, Stellan Skarsgard, Robin Wright, Embeth Davidtz, Joely Richardson, Goran Visnjic. 158 Min. FSK: 16

epd