Er wurde geschaffen, damit es weniger Verkehrsunfälle gibt. Vor 50 Jahren erfand Karl Peglau (1927-2009) einen neuen Ampelmann für die DDR, auffällig durch den "mollig-gemütlichen Körperbau mit Knollennase und Hut", wie der Verkehrspsychologe sein Männchen einst selbst beschrieb.
Wiederentdeckt und zur Kultfigur stilisiert
Bis zur Wiedervereinigung leuchtete es in den Lichtanlagen von der Ostsee bis nach Südthüringen, wurde dann abmontiert und durch das im Vergleich eher neutrale West-Männchen ersetzt. Mitte der 90er Jahre wurde es schließlich wiederentdeckt und zur Kultfigur stilisiert. Heute schmückt es Kleidung und Gebrauchsgegenstände und seit 2010 sogar Busse in Tokio. Die Zahl der Unfälle in der DDR aber senkte es nicht.
Am 13. Oktober 1961 präsentierte Peglau das Männchen - in Rot mit ausgebreiteten Armen und in Grün im forschen Wanderschritt. Aber bis zu seinem Einsatz im Verkehr hatte es noch einen langen Weg vor sich. Unzählige Prüfungen der DDR-Behörden musste es erdulden. Ganze acht Jahre nahmen sie in Anspruch, bis die erste Ampel in Berlin mit dem neuen Mann ausgestattet war. Zwei Jahre später leuchtete er dann aber schon an den Straßenkreuzungen der ganzen sozialistischen Republik.
Autos waren damals rar. Knapp drei Millionen Pkw gab es, nur etwa jeder sechste DDR-Bürger war mit dem Auto unterwegs. Rund 2.140 Menschen starben im Jahr 1970 bei Verkehrsunfällen; mehr als 46.000 wurden verletzt. Die Gefahr auf den Straßen der DDR konnte aber offensichtlich auch das neue Ampelmännchen nicht bannen, das für Kinder und Farbenblinde besonders gut geeignet sein sollte. In gleichem Maß wie der Bestand an Fahrzeugen nahmen auch die Unfälle und damit die Zahl der Unfalltoten zu.
Mann aus dem Westen rettet Ost-Ampelmann
Der Reiz des Ampelmanns lag wohl von Anfang an in seiner Erscheinung. Schon in den 80er Jahren wurde er als Comicfigur für Verkehrssendungen im DDR-Fernsehen beliebt. Nach dem politischen Umbruch, als der "mollig-gemütliche" Typ gegen den schlank-strammstehenden aus dem Westen ersetzt werden sollte, wurde er schließlich zur zentralen Figur einer ersten Ostalgie-Welle. Proteste und ein Mann aus dem Westen retteten den Mann von den Müllhalden.
Markus Heckhausen war 1995 aus Tübingen nach Berlin gekommen. Die weggeworfenen Glasscheiben aus den Ampeln weckten bei ihm Designideen. Aus den entsorgten Männchen bastelte er eine Lampe - und fand reißenden Absatz. "Ich hatte damit den Nerv getroffen", sagt Heckhausen heute. In den neuen Bundesländern sei die Sehnsucht nach einer "eigenen Identität" gewachsen, nachdem sie zuvor quasi ausradiert worden sei, erklärt er sich den bis heute anhaltenden Boom seiner Produkte.
Ampelmann-Shops auch in Tokio und Seoul
Schließlich wurden auch die "Richtlinien für Lichtsignalanlagen" geändert, wodurch das Ost-Ampelmännchen wieder zum zulässigen Symbol im Verkehr wurde - im gesamten wiedervereinigten Deutschland. Heute können sich Städte und Kommunen aussuchen, welcher Mann die Fußgänger leiten soll.
Als Heckhausen Peglau kennenlernte, der die Rettung seiner Männchen begrüßte, war der Weg für die Ampelmann-Produktpalette frei. Nach einem Rechtsstreit mit dem früheren Ampelhersteller aus Sachsen ist auch die Rechtefrage geklärte. Heckhausens GmbH hat die Nutzungsrechte für alle Ampelmann-Produkte - außer für Ampeln, auf denen das Männchen inzwischen ja auch wieder steht und geht.
Das Unternehmen mit vier Läden und einem "Ampelmann-Restaurant" in Berlin schaffte es im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben auf einen Umsatz von 7,5 Millionen Euro. 88 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Inzwischen gibt es Ampelmann-Shops auch in Tokio und Seoul, denn in Asien findet der Mann mit Hut offensichtlich viele Fans. Die Mischung aus "knuffig" und seriös mache es, glaubt Heckhausen.
"Der is' schon gut"
Auch der Verkehrspsychologe Haiko Ackermann kann die Beliebtheit des Männchens gut nachvollziehen. "Es hat etwas Rührendes, Freundliches, Harmloses", sagt er. Damit unterscheide es sich vom West-Ampelmann, der auf Kinder sogar "bedrohlich" wirken könne.
Am wichtigsten aber scheint die Symbolkraft des Mannes zu sein, sagt Ackermann: "Wie der grüne Pfeil wurde er teilweise vom Westen übernommen, obwohl es sonst meist immer andersherum war."Wenn Heckhausen durch Berlin spaziert, wo seit 2005 auch im einstigen Westteil das Ost-Männchen leuchtet, schaut er die Fußgängerampeln noch immer bewusst und gern an. "Dann denk ich mir immer wieder: 'Der is' schon gut'."