Merkel will Steuern senken und trotzdem den Haushalt sanieren

Merkel will Steuern senken und trotzdem den Haushalt sanieren
Die schwarz-gelbe Koalition sieht nach langem Streit nun doch Spielraum für Steuersenkungen. Die sollen noch vor der Bundestagswahl 2013 wirken. Die Opposition warnt vor Steuergeschenken auf Pump. Denn nach wie vor steigen die Schulden und die Etatrisiken für Schäuble.
22.06.2011
Von André Stahl und Tim Braune

Die schwarz-gelbe Bundesregierung will noch vor der Sommerpause eine Steuerentlastung von bis zu 10 Milliarden Euro beschließen. Die Entlastung der Bürger und Firmen soll auf einer Kabinettssitzung Anfang Juli offiziell verkündet werden, erfuhr die Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch in Berlin.

Die Koalition braucht dafür aber die Zustimmung der Opposition im Bundesrat. SPD, Grüne und Linke warnten angesichts von Rekordschulden vor Steuergeschenken auf Pump. Unions-Ministerpräsidenten drohten bereits mit einem Veto.

Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, die Koalitionsspitzen würden sich bei ihrem Treffen vor der Sommerpause mit dem Thema befassen. Es gebe noch keine festen Absprachen für ein Datum, ein bestimmtes steuerpolitisches Modell oder eine Entlastung um "X-Milliarden". Ebenso gebe es keine Überlegungen, den Solidaritätszuschlag ("Soli") abzuschaffen.

Schwarz-Gelb komme dank des starken Aufschwungs beim Abbau der hohen Staatsverschuldung aber gut voran. "Dieser Weg der Haushaltskonsolidierung wird uns an einem bestimmten Punkt zu den Spielräumen bringen, die wir brauchen, um Steuererleichterungen für kleine und mittlere Einkommen vornehmen zu können", sagte Seibert.

"Haushalt hat Vorrang"

Das Bundesfinanzministerium betonte, die Sanierung des Haushalts habe Vorrang. Die Regierung habe weiter "beeindruckende Lasten vor der Brust". Es werde aber beim Aufstellen des Etats für 2012 und der mittelfristigen Finanzplanes intensiv daran gearbeitet, Spielräume für mögliche Entlastungen zu schaffen. "Wir müssen schauen, was machbar ist", sagte Ministeriumssprecher Martin Kotthaus.

Im Mai waren die Steuereinnahmen erneut überraschend stark gestiegen. Die Neuverschuldung des Bundes könnte damit schneller sinken als geplant. FDP-Chef Philipp Rösler sagte im NDR, dies sei jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um solche Debatten zu führen. "Da sind wir uns, die Kanzlerin und ich - vollkommen einig."

Aus Koalitionskreisen hieß es, voraussichtlich würden die Steuersenkungen in der Kabinettssitzung am 6. Juli offiziell beschlossen. Dann sollen auch der Haushaltsentwurf 2012 und die Finanzplanung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bis 2015 von der Regierung beschlossen werden. Schäuble hatte zuletzt betont, Steuersenkungen gebe es nur bei finanziellen Spielräumen.

Auch die CDU-Regierungschefs der Bundesländer mauern

Die CDU-Regierungschefs von Thüringen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland lehnen Entlastungen zum jetzigen Zeitpunkt ab. Das schwarz-gelb-grün regierte Saarland werde einem solchen Plan im Bundesrat nicht zustimmen, weil dadurch die Einhaltung der Schuldenbremse völlig unmöglich werde, kündigte Ministerpräsident Peter Müller im "Hamburger Abendblatt" (Donnerstag) an. Ähnlich äußerten sich die Ministerpräsidenten von Thüringen und Sachsen-Anhalt, Christine Lieberknecht und Reiner Haseloff.

Geplant ist vor allem eine Entlastung unterer und mittlerer Einkommen. Dies könne über eine Abflachung des "Mittelstandsbauchs" und der "kalten Progression" bei der Einkommensteuer geschehen. Die "kalte Progression" ist eine Art heimliche Steuererhöhung. Dabei werden Lohnzuwächse durch die höhere Einkommensteuerbelastung größtenteils wieder aufgezehrt.

Die CSU rechnet mit Entlastungen vor allem zugunsten mittlerer Einkommen. "Wie groß dieser Spielraum sein wird, das muss in den nächsten Tagen austariert werden. Das gleiche gilt für den Zeitpunkt der Entlastung", sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt der dpa. "Ob wir es schon schaffen zum 1. Januar 2012 oder ein Jahr später, das werden wir in den nächsten Tagen intensiv erörtern."

Details noch offen

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte in der ARD zu möglichen Steuersenkungen gesagt: "Ich glaube schon, dass wir das machen." Die Details müssten noch besprochen werden. Um eine Milliarden-Steuersenkung im Bundesrat durchsetzen zu können, will die FDP vor allem die SPD mit ins Boot holen.

"Die Opposition und gerade die SPD sollten sich diesem Problem nicht verschließen. Die Sozialdemokraten müssen übertriebene oppositionelle Abwehrreflexe überwinden", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner der dpa. Er setzt darauf, dass sich insbesondere SPD-geführte Länder dem Gedanken, die Mittelschicht mit einer Dividende am Aufschwung zu beteiligen, nicht widersetzen.

SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte, Schäuble müsse erst noch den Nachweis erbringen, ob es Spielräume gebe und die Schuldenbremse eingehalten werden könne. Es gebe noch "eine Vielzahl offener Fragen". Poß warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, sich "in den Schlepptau der FDP" begeben zu haben.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kündigte Widerstand an. "Grüne werden sich in Bund und Ländern gegen die unseriösen Steuersenkungspläne stemmen", sagte sie der dpa.

dpa