Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wird nicht müde, die großen Vorteile der Energiewende zu preisen. Immer wieder nennt er vor Mikrofonen die Zahl von 370 000 Jobs, die bereits im Bereich der Ökoenergien entstanden. Es gilt Argumente ins Feld zu führen gegen kritische Stimmen bei Haushältern der Koalition und Atomfreunden wie Unionsfraktionsvize Michael Fuchs. Da ist Röttgens Amtsvorgänger Jürgen Trittin ganz bei dem Minister. "Das kostet Geld, aber es bietet große ökonomische Chancen", so der Fraktionschef der Grünen. Es gelte die globale Technologie-Marktführerschaft zu halten.
Rechnung mit vielen Unbekannten
Doch ist das Ganze eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Bei einem schnellen Atomausstieg zum Jahr 2020 drohen Milliardenlöcher bei dem von den AKW-Betreibern gespeisten Fonds zum Ausbau der erneuerbaren Energien und bei der Atomsteuer. "Wenn wir zurückgehen auf den rot-grünen Ausstiegsbeschluss, fehlen uns mindestens 15 Milliarden Euro", so der energiepolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Thomas Bareiß. Er mahnt zu Realismus, für Verbraucher werde es teuer. Röttgen meint, der Preis für eine Kilowattstunde Strom werde sich in den nächsten Jahrzehnten durch die Energiewende nur um 0,1 bis 0,9 Cent erhöhen. Die Äußerung löst bei den Energiebossen Kopfschütteln aus.
In Deutschland werden weite Landstriche zukünftig von immer mehr Windrädern geprägt werden, wenn der Umstieg auf eine zunehmende Ökoenergieversorgung gelingen soll. Windräder laufen meist auf das Jahr hochgerechnet aber nur 50 bis 60 Tage unter Vollast. Um also nur die Leistung der 17 deutschen AKW zu ersetzen, muss die installierte Leistung die der Atommeiler um ein vielfaches übertreffen. Dafür sind im Rahmen der Anschubfinanzierung hohe Milliardenbeträge notwendig, die zweifelsohne auch Atom- und Kohlekraft bekommen haben. 2011 sind es geschätzt 13,5 Milliarden Euro, die vom Verbraucher über den Strompreis für den Ökoenergieausbau zu zahlen sind, die Summe könnte aber 2012 nach Schätzung des Umweltministeriums wieder sinken.
Hinzu kommt aber, dass der Strom, der auf der grünen Wiese und vor der Küste entsteht, transportiert werden muss. Mindestens rund zehn Milliarden Euro hält die Deutsche-Energie-Agentur für den Netzausbau im Höchstspannungsbereich für notwendig. Aber auch der Ausbau von Auf- und Abfahrten von Stromautobahnen kostet Milliardensummen im zweistelligen Bereich und dürfte Netzentgelte steigen lassen. Röttgen betont, man müsse auch "Politik aus den Augen unserer Kinder machen". Dazu gehört es diesem Verständnis nach, für eine Abkehr vom Risiko Kernenergie höhere Strompreise notfalls in Kauf zu nehmen, Studien gehen davon aus, dass mehr Ökostrom langfristig preisdämpfend wirkt.
Ökoenergie ist noch nicht wirtschaftlich
Die Ökobranche betont, die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien seien ehrliche Kosten, da anders als bei Atom- und Kohlekraft keine unkalkulierbaren und vom Steuerzahler zu tragenden Folgekosten durch Katastrophen oder Umweltschäden hinzukämen. Nach Angaben des Bundesverbands Erneuerbare Energien konnte zudem allein 2010 durch den Ausbau der Ökoenergien die Einfuhr fossiler Energierohstoffe im Wert von 7,4 Milliarden Euro vermieden werden.
Es bleibt aber das Hauptproblem bestehen, dass Ökoenergie noch nicht wirtschaftlich ist und die Förderung die Verbraucher derzeit mit 3,5 Cent pro Kilowattstunde Strom belastet. Die Folgen für die Industrie sind das größte Risiko bei der Wende - sie ist auf eine günstige und sichere Versorgung angewiesen.
Die Rechnung wird erst nach und nach sichtbar werden, aber einige Programme eignen sich zur Erfolgsstory, weil der Nutzen die Kosten bereits kurzfristig übertrifft. Die FDP macht sich stark für eine Ausweitung des Programms zur besseren Dämmung von Gebäuden, um hier viel Energie einzusparen. Das Programm könnte um mehr als eine auf zwei Milliarden Euro wachsen. Der Bauexperte der FDP-Fraktion, Sebastian Körber, verweist auf "sensationelle Hebelwirkungen". 2010 wurden im Rahmen des Programms "Energieeffizient Bauen und Sanieren" der KfW-Bank mit 1,3 Milliarden Euro an Haushaltsmitteln rund 21,3 Milliarden Euro an Investitionen angestoßen. Ein Fördereuro führte also zur Ausgabe von 16 weiteren Euro für Handwerker und Materialien.
Grüne wie auch Greenpeace machen bei der Frage, wie die grüne Zukunft bezahlt werden soll, zudem auf eine Sache aufmerksam, die auch der Bundesrechnungshof kritisiert. Die Rückstellungen der Atomkonzerne etwa für den Rückbau ihrer AKW betrugen Ende 2010 knapp 28,7 Milliarden Euro. Hohe Rückstellungen schmälern den Gewinn und damit die Steuerschuld. Greenpeace meint, dass dem Bundeshaushalt so Einnahmen von 175 bis 800 Millionen Euro jährlich entgehen würden.