In einer neuen Flüchtlingswelle sind innerhalb von 36 Stunden mehr als 1600 Menschen aus Tunesien auf Lampedusa gelandet. Die Neuankömmlinge erreichten die italienische Insel mit 21 Booten, teilte das Hafenamt am Dienstag mit. Das Amt bestätigte Augenzeugenberichte, wonach ein Flüchtlingsboot mit möglicherweise bis zu 70 Menschen an Bord vor der tunesischen Küste untergegangen ist. Einige Überlebende des Schiffbruchs vor der tunesischen Küstenstadt Zarzis wurden von einem anderen Flüchtlingsboot aufgenommen und erreichten so Lampedusa.
Mitte Februar hatten innerhalb weniger Tage mehr als 5600 Menschen aus Tunesien Lampedusa erreicht. Die Insel selbst zählt nur 4500 Einwohner. Das dortige Flüchtlingszentrum ist lediglich für 850 Menschen ausgelegt. Lampedusa ist 130 Kilometer von Tunesiens Küste entfernt und wegen der Nähe zu Afrika ein "Tor nach Europa".
Ein von Marokko gechartertes Schiff mit mehr als 1800 Menschen an Bord wurde am Dienstag von italienischen Gewässern ferngehalten. Das Schiff "Mistral Express" war am Sonntag in Libyen aufgebrochen und wollte für einen Versorgungshalt den sizilianischen Hafen Augusta anlaufen. Dies verhinderte eine italienische Korvette nach Anweisung aus Rom. Die italienische Regierung wollte mehr Klarheit darüber haben, wohin das Schiff letztlich fahren sollte. An Bord sind 1715 Marokkaner sowie Libyer, Algerier und andere Nationalitäten.
Gaddafi kämpft weiter gegen Aufständische
Die Aufständischen in Libyen haben der Militärmacht von Staatschef Muammar al-Gaddafi immer weniger entgegenzusetzen. Nach den jüngsten Gebietsgewinnen im Osten gehen die Truppen des Regimes nun gegen die zuvor von ihnen eingekesselten Städte im Westen des Landes vor. Ein Augenzeuge sagte dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira am Dienstag, die Aufständischen hätten innerhalb weniger Stunden die Kontrolle über die Kleinstadt Suwara nahe der tunesischen Grenze verloren. Unter Beschuss liegt Misurata, eine andere Stadt im Westen.
Mehrere Rebellenkommandeure hatten am Montag angedeutet, dass sie ein Blutbad befürchten, falls sich die internationale Gemeinschaft nicht zur Einrichtung einer Flugverbotszone durchringen sollte. Ein Amnestie-Angebot der Führung für "reuige" Rebellen, die ihre Waffen abgeben, machte auf die Aufständischen nicht viel Eindruck. Ein Sprecher der Rebellen in Misurata sagte, Gaddafi habe inzwischen so viel Angst vor Verrat in den eigenen Reihen, dass er sich nur noch auf seine Söhne verlasse.
G8-Außenminister streiten über Flugverbot
Die Außenminister der G8-Staaten haben ihre Beratungen über das Vorgehen gegen den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi am Dienstag in Paris fortgesetzt. Am Vorabend hatten sie sich zunächst nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können. "Ich will nicht, dass Deutschland in Nordafrika dauerhaft in einen Krieg hineingezogen wird", sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Frankreichs Außenminister Alain Juppé bedauerte die zögerliche Haltung seiner Amtskollegen. "Gaddafi erzielt Erfolge. (...) Wir haben heute keine militärischen Mittel, weil die internationale Gemeinschaft sich nicht entscheidet, sie einzusetzen", sagte er dem Sender Europe 1.
Frankreich und Großbritannien hatten sich in den vergangenen Tagen für eine Flugverbotszone eingesetzt. Frankreich schließe aber auch Angriffe auf militärische Ziele nicht aus, schreibt die Zeitung "Le Figaro" unter Berufung auf Regierungskreise. Dies sei möglicherweise auch ohne grünes Licht des UN-Sicherheitsrates möglich, wenn es aus der Region oder aus Libyen entsprechende Anfragen gebe, heißt es weiter. Das G8-Treffen, an dem die Minister aus sieben Industrienationen plus Russland teilnehmen, sollte am Dienstagnachmittag mit einer Pressekonferenz enden. Frankreich hat derzeit den Vorsitz der G8.