Ein Jahr nach der Verabschiedung von Wolfgang Huber und acht Monate nach dem spektakulären Rücktritt von Margot Käßmann wählt die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) abermals einen neuen Ratsvorsitzenden. Vieles spricht dafür, dass bei der jährlichen Tagung des Kirchenparlaments, die am Sonntag in Hannover beginnt, der rheinische Präses Nikolaus Schneider zum neuen Ratsvorsitzenden bestimmt wird. Nach dem Rücktritt Käßmanns war er als ihr Stellvertreter kommissarisch an die Spitze gerückt.
Der Vorsitzende wird vom Rat der EKD aus seiner Mitte bestimmt, es gibt keinen Gegenkandidaten zu Schneider. Mehrfach ließ er erkennen, dass er für Kontinuität steht, gleichwohl aber für einen anderen Stil als Huber oder Käßmann. Dem amtierenden Ratsvorsitzenden bescheinigen Beobachter, dass er die EKD in einer schwierigen Phase des Übergangs umsichtig, aber entschlossen geleitet habe. Ohnehin genießt der 63-jährige Theologe, der sichtlich Freude an seiner neuen Aufgabe gefunden hat, innerhalb der evangelischen Kirche hohes Ansehen.
Jochen Bohl wohl Stellvertreter
Neben dem Vorsitzenden des Rates ist auch ein neuer Stellvertreter zu wählen. Da der Rheinländer Schneider aus einer unierten Kirche kommt, müsste sein Vize nach der bisherigen Praxis ein Landesbischof aus einer lutherischen Landeskirche werden. In Frage kämen danach die Ratsmitglieder Jochen Bohl aus Sachsen und Johannes Friedrich aus Bayern. Der mit der Käßmann-Wahl 2009 zunächst vollzogene Generationenwechsel dürfte nunmehr erst 2015 erfolgen. Dann wird zu entscheiden sein, wer zum Reformationsjubiläum 2017 den deutschen Protestantismus in der Öffentlichkeit verkörpern wird.
In diesem Jahr muss die EKD-Synode in Hannover noch zwei freie Plätze im Rat der EKD nachbesetzen. Einer war 2009 nicht besetzt worden, ein weiterer durch den Rückzug von Käßmann frei geworden. Dafür kandidieren mit der Gewerkschafterin Edeltraud Glänzer und der Theologieprofessorin Christiane Tietz zwei profilierte Frauen. Beide erfüllen zudem den regionalen Proporz und die Balance zwischen den Geschlechtern - Kriterien, die bei der Zusammensetzung der EKD-Spitze eine Rolle spielen.
Schwerpunkt Bildung
Inhaltlich setzt sich die EKD-Synode mit dem Schwerpunktthema Bildung auseinander - passend zum Melanchthonjahr, in dem die Protestanten an den 450. Todestag des Reformators und Begründers des Schulwesens in Deutschland erinnern. Synoden-Präses Katrin Göring-Eckardt verweist darauf, dass angesichts wachsender Ungleichheiten die biblisch in der Menschenwürde begründete Forderung nach mehr Bildungsgerechtigkeit an Aktualität gewinne. Die Beratungen stehen unter dem Motto "Niemand darf verloren gehen!"
Doch die 126 Mitglieder der EKD-Synode sind auch als Gesetzgeber gefordert. Auf der Tagesordnung steht die Beratung eines einheitlichen Dienstrechtes für die Pfarrer in den 22 Landeskirchen. Das Pfarrerdienstgesetz gilt als ein wichtiger Baustein im so genannten Verbindungsmodell, das eine engere Verzahnung von EKD und den konfessionellen Zusammenschlüssen von Lutheranern, Unierten und Reformierten zum Ziel hat - unter anderem durch Vermeidung von Parallelstrukturen und Doppelarbeit. Dass für diesen Fortschritt im protestantischen Föderalismus im ersten Anlauf reichlich Kompromisse eingegangen werden mussten, lässt sich an den zahlreichen Ausnahmeregelungen ablesen, die in dem Gesetzeswerk eingebaut sind.
Generationswechsel im Kirchenamt
Auch im Kirchenamt der EKD in Hannover, der Leitungszentrale der deutschen Protestanten, steht ein Personalwechsel an. Wenige Wochen nach der Synode geht Ende November Präsident Hermann Barth (64), der seit einem Vierteljahrhundert das ethische und kirchenpolitische Profil der evangelische Kirche maßgeblich mitbestimmt, in den Ruhestand. Als sein Nachfolger steht der bisherige Vizepräsident und leitende Jurist Hans Ulrich Anke (42) schon fest. Neuer theologischer Vizepräsident mit der Zuständigkeit für kirchliche Handlungsfelder und Bildung wird Thies Gundlach (54), einer der Motoren der 2007 eingeleiten EKD-Reform.