Der anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig rief in einem ARD-Fernsehgottesdienst dazu auf, die christliche Botschaft zum Maßstab für das moralische Handeln zu machen. Für Luther und die Reformation sei es selbstverständlich gewesen, dass der Bezugspunkt für das Gewissen nicht der Mensch in "selbstdefinierter Moral", sondern Gott sei, sagte er in der Wörlitzer Petrikirche. Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber bezeichnete die Reformation als ein "ökumenisches Ereignis", das bis heute für die gesamte Christenheit gelte.
Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich bezeichnete die Reformation als aktuellen Auftrag der Kirche. Die Kirche müsse sich immer wieder ändern, um sich im Kern treu zu bleiben. "Wo wir uns von anderen Christen getrennt haben, wollen wir uns versöhnen und den Neuanfang wagen", sagte Friedrich in Regensburg. Zugleich zeigte er sich besorgt über die überdurchschnittlich hohe Ausländerfeindlichkeit unter Protestanten.
Kein Bild der Geschlossenheit
Der badische Landesbischof Ulrich Fischer sagte, die heutigen Kirchen seien anders als zur Zeit des Reformators Luther nicht bedroht durch feindliche Mächte, die mit militärischer Gewalt evangelischen Glauben ersticken wollten. Der christliche Glaube sei aber von innen bedroht, weil die Christenheit kein eindrucksvolles Bild besonderer Geschlossenheit abgebe, sagte Fischer in Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis).
Mit Gottesdiensten erinnerte auch die evangelische Landeskirche Sachsens an den Beginn der kirchlichen Erneuerungsbewegung. Landesbischof Jochen Bohl warnte in seiner traditionellen Ansprache im Meißner Dom vor "illusionären Annahmen über die menschlichen Möglichkeiten" und einer "Gleichgültigkeit gegenüber der Frage nach Gott".
Die Vizepräses der rheinischen Landeskirche, Petra Bosse-Huber, sagte, für Luther sei die Erkenntnis, von Gott allein befreit werden zu können, zum Eckpfeiler seines neuen Glaubens geworden. "Es ist allein Gottes Gnade und Geschenk, dass Gott uns nicht von sich stößt und für immer verwirft, sondern uns auch als Sünder immer wieder annimmt und uns erneut in seine Gemeinschaft einlädt", sagte die Theologin in Mönchengladbach-Rheydt.
Heil selbst verdienen
Die Botschaft, dass sich niemand sein Heil selbst verdienen müsse, sei heute unvermindert aktuell, sagte stellvertretende hannoversche Landesbischof Hans-Hermann Jantzen. "Wir stehen heute mindestens unter einem so großen Leistungsdruck wie die Menschen zu Luthers Zeiten, wenn auch nicht religiös motiviert", sagte der Theologe in Lüneburg. Viele Menschen litten darunter, manche zerbrächen sogar.
Die Protestanten erinnern am Reformationstag an die Entstehung der evangelischen Kirche vor fast 500 Jahren. Ob der Mönch Martin Luther seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 tatsächlich an die Tür der Wittenberger Schlosskirche schlug, ist zwar historisch nicht gesichert. Die öffentliche Wirkung ist jedoch unumstritten, die von der Anprangerung kirchlicher Missstände wie dem Ablasshandel ausging und letztendlich zur Begründung der protestantischen Kirchen führte. Ein Höhepunkt der Feierlichkeiten ist das traditionelle Reformationsfest in Wittenberg.
Bereits am Freitag waren die Denkmäler der Reformatoren Luther und Melanchthon nach sechsmonatigen Restaurierungsarbeiten an ihre alten Standorte in Wittenberg zurückgekehrt. Die beiden Denkmäler waren Ende April abgebaut und in eine Berliner Werkstatt geschafft worden. Das im Jahr 1821 enthüllte Monument für den Kirchenreformator Martin Luther gilt als das älteste deutsche Luther-Denkmal.
In vielen Ländern kein gesetzlicher Feiertag
Der Reformationstag ist in den neuen Bundesländern, nicht aber in Berlin und im alten Bundesgebiet gesetzlicher Feiertag. In Thüringen wird dieser Tag nur in überwiegend evangelischen Gemeinden als gesetzlicher Feiertag begangen.
epd