"Der einzige Weg, Hartz IV verfassungskonform zu reformieren, ist, die Sätze in Zukunft wie die Lebenshaltungskosten unterer Einkommensbezieher steigen zu lassen", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Elke Ferner dem "Handelsblatt" (Montag). Eine Orientierung nur an der Nettolohnentwicklung werde dagegen zur nächsten Verfassungsklage führen, sagte Ferner.
Berechnungen: 400 Euro Regelsatz
Sie reagierte damit auf Ankündigungen aus dem Arbeitsministerium, von der Leyen plane die Hartz-IV-Sätze in Zukunft nicht mehr wie die Renten steigen zu lassen und stattdessen an die Entwicklung der Nettolöhne und/oder der Inflation zu koppeln. Unionspolitiker mahnten, steigende Hartz-IV-Sätze könnten den Abstand zu Geringverdienern so verringern, dass es für sie nicht mehr lohne zu arbeiten.
Das Ministerium geht laut "Spiegel" davon aus, dass die Hartz-IV-Sätze durch die Neuberechnung künftig stärker steigen als die Renten. Das Magazin schreibt, vorläufige Berechnungen deuteten darauf hin, dass der Regelsatz von derzeit 359 Euro im Monat für einen allein stehenden Erwachsenen zu niedrig ist. Es zeichne sich ab, dass dieser bei bis zu 400 Euro liegen müsse - diese Zahl entbehrt aber laut Arbeitsministerium jeder Grundlage.
"Hartz IV darf nicht attraktiver werden als Arbeit"
Der CSU-Sozialpolitiker Max Straubinger sagte der "Welt" (Montag), es sei "wenig wahrscheinlich", dass die Regelsätze durch die Neuberechnung steigen werden. Wenn sie stiegen, wäre dies nicht wünschenswert, betonte Straubinger: "Man muss das Lohnabstandsgebot beachten, gerade jetzt, wo der Arbeitsmarkt beginnt, Arbeitslose aufzunehmen." Wegen der massiven Sparanstrengungen der Regierung könne man "nicht besonders freigebig sein".
Auch der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Fuchs (CDU) warnte, dass Hartz IV nicht attraktiver werden dürfe als Arbeit. "Die Konsolidierung des Staatshaushalts darf nicht durch Hartz IV gefährdet werden", sagte er der "Bild"-Zeitung (Montag). Ähnliche Bedenken äußerte der stellvertretende Vorsitzende der FDP- Bundestagsfraktion, Heinrich Kolb: "Sollte die Neugestaltung der Hartz-IV-Sätze zu Mehrausgaben führen, muss das Ministerium Vorschläge für Einsparungen an anderer Stelle machen."
Flächendeckend wirksame Mindestlöhne einführen
Hintergrund der geplanten Hartz-IV-Reform ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter hatten Anfang Februar entschieden, dass die Bundesregierung die Regelsätze für alle gut 6,5 Millionen Hartz-IV-Bezieher neu berechnen muss. Die Methode sei nicht nachvollziehbar, die Kalkulation intransparent und realitätsfern. Besonders die 1,7 Millionen Kinder in Hartz-IV-Familien sollten bessergestellt werden. Von der Leyen hat bereits klargestellt, dass die angemahnten besseren Hilfen für Kinder vor allem über Gutscheine oder kostenlose Angebote erfolgen sollen.
SPD-Fraktionsvize Ferner räumte ein, dass eine Orientierung von Hartz IV an der Inflation zu steigenden Kosten für die Grundsicherung führen werde. In Zukunft würden nicht nur die Leistungssätze stärker steigen, sondern auch immer mehr Rentner und Niedrigverdiener Anspruch auf ergänzende Hilfe des Staates haben. Dies sei die unvermeidbare Folge des Bundesverfassungsgerichtsurteils, sagte Ferner. Die Bundesregierung müsse deshalb flächendeckend wirksame Mindestlöhne einführen. "Nur so kann verhindert werden, dass immer mehr Arbeitnehmer ergänzend auf Hartz IV angewiesen sind und im Alter nur eine Minirente erreichen", sagte Ferner.
Paritätischer hält Gutscheine für Hartz-IV-Bezieher für sinnvoll
Der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßt die Pläne von Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU), Leistungen für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern künftig zum Teil über Gutscheine zu gewähren. Die Regierung ziele in die richtige Richtung, wenn sie auf Sachleistungen wie Nachhilfe oder den kostenlosen Besuch von Musikschulen abziele, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider, der "Berliner Zeitung" (Montagsausgabe),
Nach Information der "Bild"-Zeitung prüft das Sozialministerium anstelle von Gutscheinen den Einsatz elektronischer Chipkarten, um Leistungen für Kinder zu gewähren. Die Karten würden mit einem Guthaben aufgeladen, das bei Nutzung beispielsweise von Nachhilfeunterricht oder in Sportvereinen abgebucht werde. Die FDP-Fraktionsvize Miriam Gruß hält solch ein System für denkbar. Ihre Partei begrüße die Pläne, Mahlzeiten in Schulen und Kinderhorten sowie die Teilnahme an Sport-, Freizeit- und Kulturangeboten als Sachleistung zu gewähren, sagte Gruß der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung". Auch der Bundesvorsitzende des Wohlfahrtsverbandes, Eberhard Jüttner, äußerte sich im Südwestrundfunk (SWR) grundsätzlich positiv zu einem Gutschein-System. Doch dürften Betroffene damit nicht stigmatisiert werden.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Schneider, sagte der "Berliner Zeitung", nach Berechnungen seines Verbandes müsse der Regelsatz für Alleinstehende von 359 Euro auf 420 Euro steigen, um das Existenzminimum abzudecken. Auch die Grünen riefen die Regierung dazu auf, mehr Mittel für Arbeitslosengeld-II-Empfänger bereitzustellen. "Karlsruhe hat eindeutig festgestellt, dass die Zahlungen für Hartz IV-Empfänger nicht für ein menschenwürdiges Leben ausreichen", sagte der Bundestagsabgeordnete Markus Kurth.