In den pakistanischen Überschwemmungsgebieten rechnen Rettungskräfte inzwischen mit mehr als 1.500 Toten. Bislang gebe es allein in der Nordwest-Grenzprovinz 1116 bestätigte Todesfälle, sagte der Sprecher des privaten Rettungsdienstes Edhi, Mujahid Khan, am Montag. Berichte aus den betroffenen Regionen deuteten allerdings darauf hin, dass die Opferzahl noch weitaus höher liegen könnten.
Fast alle Opfer kamen in der Nordwest-Grenzprovinz Khyber-Pakhtunkhwa ums Leben, sagte am Sonntag der Sprecher des Rettungsdienstes. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in der Region noch rund 27.000 Menschen von der Außenwelt abgeschnitten. Insgesamt seien 1,1 Millionen Pakistaner von den Fluten betroffen, die Medien als die schlimmsten seit mehr als 80 Jahren bezeichneten. Die EU stellte 30 Millionen Euro Soforthilfe bereit. Auch die Bundesregierung sagte Pakistan Unterstützung zu.
Besonders betroffen sind nach Behördenangaben die Gebirgsdistrikte Shangla und Swat, wo zahlreiche Flüsse über die Ufer traten und ganze Landstriche überfluteten. Viele Dörfer seien von den Wassermassen dem Erdboden gleichgemacht worden. Auch in anderen Teilen Nordpakistans forderten Unwetter Todesopfer. Im pakistanischen Teil Kaschmirs kamen nach Behördenangaben bislang mindestens 57 Menschen ums Leben.
Vor allem zurückgekehrte Flüchtlinge betroffen
"Die Lage ist äußerst schwierig", bestätigte Rainer Lang von der Diakonie Katastrophenhilfe gegenüber evangelisch.de. Die Organisation unterhält ein eigenes Büro in Islamabad und versorgte seit 2009 Binnenflüchtlinge. 2,3 Millionen Menschen, die vor einer Armeeoffensive gegen Aufständische geflohen waren, seien "gerade wieder zurückgekehrt. Wir wollten gerade ein Hochwasser-Vorsorgeprojekt starten, als die Überschwemmungen einsetzten." Der Monsun falle weitaus stärker aus als erwartet.
"Es ist durchaus mit vielen weiteren Opfern zu rechnen", so Lang. Unterstützer gelangten jedoch nur schwer zu den Betroffenen, weil die Überschwemmungen Brücken und Straßen zerstörten. Zum Teil sind die Büros der Helfer selbst von der Flut betroffen, was die Kommunikation im Moment noch schwierig gestaltet.
Mehr als 30.000 Rettungskräfte und Soldaten waren am Wochenende in den Überschwemmungsgebieten im Einsatz. Ein Armee-Sprecher teilte mit, etwa 19.000 Menschen seien mit Hubschraubern und Booten in Sicherheit gebracht worden. In den Massenunterkünften steigt aufgrund schlechter hygienischer Verhältnisse die Gefahr von Seuchen. Ärzte berichteten aus Notlagern von Ausschlägen und Durchfallerkrankungen. Zudem gebe es Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln.
Der Informationsminister der Nordwest-Grenzprovinz, Mian Iftikhar Hussain, bat die internationale Gemeinschaft um rasche Hilfe. Sollte es keine Unterstützung für die örtlichen Rettungskräfte geben, "könnte die Situation zu einem großen humanitären Desaster" werden.
EU überweist Hilfen
Mit dem Geld der EU sollen Notunterkünfte, Decken sowie die Aufbereitung von Trinkwasser und der Bau von Toiletten finanziert werden, teilte die EU-Kommission am Sonntag in Brüssel mit. Die humanitäre Hilfe sei nicht nur für Flutopfer bestimmt, sondern auch für Menschen, die vor Gewalt und Terror auf der Flucht seien. Das Geld werde an Betroffene gehen, die ihr Hab und Gut verloren haben oder deren Häuser zerstört wurden. "Die Sicherheitslage und die humanitäre Situation in Pakistan sind sehr unsicher", sagte die für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgieva.
In einem Schreiben an Premierminister Yousuf Raza Gilani äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel "tief empfundenes Mitgefühl", wie Vize-Regierungssprecher Christoph Stegmans am Montag in Berlin mitteilte. Das Auswärtige Amt in Berlin will bis zu 500.000 Euro humanitäre Soforthilfe für Pakistan zur Verfügung stellen. Das kündigte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) an. Mit dem Geld sollen unter anderem Notunterkünfte, Decken und Trinkwasser finanziert werden.
Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat die Freigabe weiterer Hilfsgelder angekündigt. Ban habe dem pakistanischen Volk und der Regierung in Islamabad sein Beileid ausgesprochen, sagte ein Sprecher des Generalsekretärs in der Nacht zum Montag in New York. Zugleich habe er den Behörden die Unterstützung bei der Versorgung der Flutopfer zugesagt. Über die bereits von zugesagten Mittel hinaus habe Ban die Auszahlung weiterer zehn Millionen Dollar aus einem Nothilfeetat freigegeben.
Monsun bis September
Vorbereitet wird zunächst die Verteilung von Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Hygienematerial. Angesichts der starken Überschwemmungen können Zelte und Plastikplanen für Notunterkünfte im Moment nicht aufgestellt werden, berichten Mitarbeiter des lokalen Büros der Diakonie Katastrophenhilfe in Pakistan, die mit den Mitarbeitern der lokalen Partnerorganisationen in den betroffenen Gebieten in Kontakt sind. Dringend benötigt werden außerdem Medikamente, heißt es.
Der Monsun beginnt in Südasien in der Regel Anfang Juni und dauert bis September. In diesem Zeitraum wandert das Regengebiet vom Süden des indischen Subkontinents in Richtung Norden. Den Nordwesten Pakistans hatte der Monsun Mitte Juli erreicht. Bei den Unwettern sterben jährlich viele Menschen, schwere Schäden werden verursacht. Meteorologen warnten am Sonntag vor weiteren heftigen Regenfällen.
Die Diakonie Katastrophenhilfe hat ein Spendenkonto für die Überschwemmungsopfer unter dem Stichwort "Fluthilfe Pakistan" eingerichtet (Konto 50 27 07, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70).