Auch muss die internationale Organisation endlich den schwelenden Streit mit der Russischen Orthodoxen Kirche klären: Das Mitglied mit den meisten Gläubigen lässt seine KEK-Mitgliedschaft zurzeit ruhen. Und in der Debatte über eine KEK-Reform sind noch keine konkreten Beiträge zu hören.
Ein Jahr nach der wegweisenden Vollversammlung von Lyon im Juli 2009 hat der wichtigste Bund christlicher Kirchen auf dem alten Kontinent noch immer Mühe, seinen Platz in dem neuen Europa zu finden: In Lyon stieß die Evangelische Kirche in Deutschland den überfälligen Reformprozess mit Verve an. "Die KEK ist in einer Übergangsphase", umschreibt der amtierende Generalsekretär, Viorel Ionita, die Lage ein Jahr später.
Dem Stress nicht mehr gewachsen
Der rumänische Theologieprofessor fährt in exzellentem Deutsch fort: "Die KEK wird in diesem Jahr seit dem Ausscheiden von Colin Williams genauso professionell geführt wie früher." Der damalige Generalsekretär Williams ließ sich um die Jahreswende krankschreiben. Insider berichten, der Brite sei dem Stress in seinem Job nicht mehr gewachsen gewesen.
Tatsächlich muss der Generalsekretär in der Institution, die Europas Kirchen Stimme und Gewicht geben soll, zu viel administrative Arbeit alleine verrichten. Das Genfer Sekretariat ist personell und finanziell zu schwach bestückt. Zuletzt fiel noch die Stelle des KEK-Mediensprechers weg - aus Spargründen. Hinzu kommt: Die KEK unterhält neben dem Genfer Sekretariat weitere Büros in Brüssel und Straßburg - gerade zwischen Genf und Brüssel hatte es in den Collins-Jahren gewaltig geknirscht.
Entscheidung im September?
Der nächste Generalsekretär soll dem Neuanfang der KEK schon bald ein Gesicht geben. "Ich erwarte, dass der KEK-Zentralausschuss auf seiner Sitzung in den Niederlanden im September eine klare Entscheidung über den Auswahlprozess für einen neuen Generalsekretär fällt", betont Ionita. Der Zentralausschuss bestimmt den Generalsekretär. KEK-Präsident ist der orthodoxe Metropolit Emmanuel von Frankreich.
Der Neue muss vor allem den Konflikt mit der Russischen Orthodoxen Kirche entschärfen. Der Grund für den Rückzug der russischen Orthodoxen aus der KEK liegt in der fehlenden Bereitschaft des KEK-Zentralausschusses, die mit Moskau verbundene Estnische Orthodoxe Kirche aufzunehmen.
In Estland existiert neben der Estnischen Orthodoxen Kirche auch die Estnische Apostolische Orthodoxe Kirche, die dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel unterstellt ist. Diese orthodoxe Kirche wurde 2007 in die Konferenz Europäischer Kirchen aufgenommen.
Effizienter und schlanker
Immerhin ist eine Frage schon geklärt: Eine KEK-Vollversammlung soll 2013 über Reformvorschläge für den Kirchenbund abstimmen. Angestoßen hatte die EKD den Prozess der Erneuerung. Die EKD und andere Kirchen sprachen sich in Lyon für eine effizientere, schlankere und transparentere KEK aus. Der EKD-Auslandsbischof, Martin Schindehütte, monierte in Lyon, dass der Dachverband nach dem Ende des Ost-West-Konflikts noch immer einen Platz im neuen Kontinent suche.
Bis zum Mauerfall diente die KEK als Forum zwischen den Kirchen im Ostblock und den Kirchen des Westens. Hier konnten die Christen Europas ihre Einheit demonstrieren. Schindehütte erklärte: "Unser Anliegen ist es, in der Europäischen Union und in ganz Europa, das Zeugnis der Kirchen in der kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung wirkungsvoll hörbar zu machen."
Fachleute beraten über Reformen
Erzbischof Anastasios von Tirana von der orthodoxen Kirche Albaniens gab der EKD Rückendeckung. "Eine schnelle Modernisierung der KEK ist nötig" so Anastasios. "Ein Schiff, das dauernd repariert wird, kann nicht fahren." Jetzt muss eine 15-köpfige Gruppe, bestehend aus Experten der Mitgliedskirchen, konkrete Reformvorschläge auf den Tisch legen. Nach einem ersten Treffen in Berlin soll im Oktober eine zweite Tagung in Ungarn folgen.
"Die Arbeitsgruppe zur KEK-Reform arbeitet sehr hart", unterstreicht der amtierende KEK-Generalsekretär Ionita. "Die Gruppe verlangte viele Unterlagen von der KEK, um Fragen zu klären: Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie sind die Kompetenzen verteilt?" Besonders die EKD als größter Beitragszahler der KEK beobacht die Arbeit der Reformspezialisten genau - eine Stellungnahme wollte die EKD aber nicht geben.