Hessen: Bouffier soll Kochs Nachfolger werden

Hessen: Bouffier soll Kochs Nachfolger werden
Die hessische CDU hat sich schnell für einen Nachfolger von Ministerpräsident Koch entschieden: Innenminister Bouffier soll schon bald die Geschicke der Partei und des Landes lenken.

In Hessen soll Innenminister Volker Bouffier die Nachfolge von Ministerpräsident und CDU-Landeschef Roland Koch antreten, der sich aus allen politischen Ämtern zurückziehen will. Der Landesvorstand und die Kreisvorsitzenden der Union empfahlen bei einem Treffen am Dienstagabend in Bad Nauheim einstimmig der CDU- Landtagsfraktion, Bouffier als Kandidaten für das Amt des Regierungschefs vorzuschlagen. Zuvor soll ein CDU-Parteitag am 12. Juni Bouffier zum neuen Landesvorsitzenden wählen.

Wechsel in die Wirtschaft

Koch will am 31. August sein Amt als Regierungschef aufgeben und in die Wirtschaft wechseln. Er will auch auf sein Landtagsmandat und auf den stellvertretenden CDU-Bundesvorsitz verzichten. "Politik ist ein faszinierender Teil meines Lebens. Aber Politik ist nicht mein Leben", begründete Koch am Dienstag seinen Schritt. Der 52 Jahre alte Wirtschaftsjurist führte die Landesregierung mehr als elf Jahre.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, sagte der "Leipziger Volkszeitung" (Mittwoch), seine Partei müsse rasch klären, "wie die CDU besser zusammenstehen kann, ihre ganze Bandbreite kraftvoll vertreten kann und vor allem, ob und wer überhaupt die bisherige Rolle von Koch übernehmen kann und soll". Kochs Vertrauter, der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung, sagte am Dienstag in den ARD-"Tagesthemen": "Das wird ein Verlust sein für die CDU, eine Lücke, die nicht so schnell zu schließen ist." Koch sei "einer der besten Köpfe, die wir haben".

Ziele in Hessen erreicht

Koch erläuterte bei der Ankündigung seines Rücktritts, die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie seine Familie hätten schon seit mehr als einem Jahr von seinen Plänen gewusst, wenngleich nicht den genauen Termin. "Ich habe mir diesen Zeitpunkt heute sehr genau ausgesucht." Sein Ziel einer langfristigen bürgerlichen Mehrheit in Hessen habe er erreicht. "Jetzt ist sie stabil." Welche Aufgaben er in der Wirtschaft anstrebt, sagte Koch nicht.

Merkel registrierte den Rückzug mit Respekt und Bedauern. "Roland Koch war mir immer ein guter, freundschaftlicher Ratgeber. Wir werden auch in Zukunft fest auf seinen Rat bauen", hieß es in einer Erklärung der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden.

Zusammen mit Koch wird auch Umweltministerin Silke Lautenschläger (CDU) aus dem Kabinett ausscheiden. Sie will aber im Landtag bleiben. Lautenschläger war neun Jahre lang Ministerin.

"Das System Koch ist  gescheitert"

Die hessische FDP wird die Koalition mit der CDU auch nach Kochs Rücktritt fortsetzen. Das kündigten der FDP-Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn und der Chef der FDP-Landtagsfraktion, Florian Rentsch, in Wiesbaden an. Laut Hahn müsste nach dem Rücktritt in einer Landtags- Sondersitzung Ende August der Nachfolger Kochs gewählt werden.

Die hessische SPD wertete Kochs Rückzug als "politischen Offenbarungseid". Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel sagte: "Es ist ein gutes Stück Flucht aus der Verantwortung." Der Grünen-Vorsitzende Tarek Al-Wazir sprach von Auflösungserscheinungen bei der CDU. "Das System Koch ist in letzter Konsequenz gescheitert."

Parteienforscher: Koch fehlte Aussicht auf höhere Ämter

Der Parteienforscher Jürgen Falter sieht hinter dem Rückzug des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) Enttäuschung über verbaute Karrierepläne. Die Entscheidung habe "möglicherweise etwas damit zu tun, dass er seine politischen Aussichten für höhere Ämter als nicht mehr so rosig angesehen hat", sagte der Professor an der Universität Mainz der Nachrichtenagentur dpa. Dies gelte vor allem für das Amt des Bundeskanzlers.

Die Bundes-CDU werde durch den Rückzug von Koch erheblich geschwächt. "Er ist ja immerhin der unbestrittene Wortführer des konservativen Flügels der CDU und einer der intelligentesten, analystisch fähigsten und durchsetzungsfähigsten Politiker, die die CDU überhaupt aufzuweisen hat." Koch habe "lediglich in Angela Merkel seinen Meister gefunden".

Koch hinterlässt "Riesenlücke in der CDU"

Der Rückzug Kochs bringe aber auch die hessische CDU in eine "relativ schwierige Situation", sagte Falter. "Koch war die hessische CDU, er war völlig unumstritten dort, hatte die Partei absolut fest im Griff genauso wie sein Kabinett."

Koch hinterlasse "eine Riesenlücke in der CDU - in der hessischen CDU, aber auch in der Bundes-CDU". In der Bundes-CDU könne sie leichter ausgefüllt werden. In Hessen werde es schwerer sein. "Es ist ja niemand seines Kalibers in Hessen im Augenblick sichtbar."

Der als Nachfolger gehandelte Innenminister Volker Bouffier (CDU) sei aufgrund seiner Polizeiaffäre, die ihm einen Untersuchungsausschuss im Landtag eingebracht habe, "politisch im Augenblick schwer angeschlagen". Es sei "nicht allzu häufig, dass ein Untersuchungsausschuss wegen Rechtsbeugung gegen einen Innenminister eingerichtet wird".

dpa