Fake News in der Manege

Fake News in der Manege
Leser, die sich für diesen Artikel interessierten, lasen auch einen Text, der nahelegt, dass Ersterer Unwahrheiten enthält (Das war: Facebooks neueste Strategie gegen Falschmeldungen). Im Weißen Haus stellt sich einmal mehr die Frage: Wer ist hier der Boss? Wo es in der kommenden Saison alle Spiele, alle Tore zu sehen gibt, und was das wieder kostet. Außerdem: Audi-Cup statt Diesel-„Brennpunkt“, Wolfgang Bosbach trifft sich selbst, und Lady Di spricht noch aus dem Grab zur britischen Presse.

Bei Facebook probieren sie etwas Neues mit Fake News, bzw., selbstredend, zur Bekämpfung dieser. Im Januar hatte Zuckerbergs Marks sympathisches Netzwerk noch angekündigt, Leser zweifelhafte Inhalte melden lassen zu wollen, auf dass die guten Kumpels vom Correct!!Einself!!!v in zweiter Instanz die Faktenlage recherchieren und dann Falschmeldungen mit Warnhinweisen versehen. Doch das hat schon mal nicht funktioniert, wie Markus Reuter bei Netzpolitik.org erklärt:

„Die Einblendung der Fake-Warnung führte nämlich dazu, dass Nutzer sie zum Anlass nahmen, andere Menschen genau auf diese Artikel zu mobilisieren – nach dem Motto ,Seht her, Facebook will diese Meldung unterdrücken’. So entstand der gegenteilige Effekt und die unseriöse Nachricht wurde prominenter. Vermutlich setzte Facebook diese Art der Fake-News-Bekämpfung deswegen zuletzt nicht mehr ein.“

Hätte Zuckerberg mal bei Barbara Streisand angerufen. Die hätte ihm gleich sagen können, dass solche Effekte drohen.

„In Deutschland stand das Unternehmen außerdem vor dem Problem, keinen weiteren Faktenprüfer außer Correctiv zu finden, womit das angekündigte Konzept der doppelten Prüfung nicht angewendet werden konnte.“ (Nochmal Reuter.)

Doch im Silicon Valley hat man seinen Samuel Beckett gelesen, und daher wird nun wieder versucht, um zumindest besser zu scheitern - weiterhin mithilfe von Correctiv, aber diesmal auch gemeinsam mit Facebooks bestem Mitarbeiter, dem Algorithmus.

„Der Prozess funktioniert in mehreren Schritten: Eine Software prüft Beiträge anhand verschiedener Kriterien und schlägt im Zweifelsfall an. ,Misstrauisch’ wird der Algorithmus etwa wegen Hinweisen und Kommentaren von Nutzern, der Verweildauer in einem Artikel - bei falschen Nachrichten, so die Logik, steigen viele Leser schnell aus - und anderen sogenannten ,Spam-Indikatoren’. Weil die Software zu maschinellem Lernen fähig ist, soll sie mit der Zeit von selbst immer genauer werden. In einem zweiten Schritt kann Facebook dann die Faktenprüfer des Rechercheportals Correctiv alarmieren“,

erklärt Jannis Brühl auf der SZ-Medienseite, von dem nun Markus Böhm bei Spiegel Online übernimmt:

„Unter Beiträgen, deren Wahrheitsgehalt von den Faktenprüfern angezweifelt wird, soll künftig mit dem Hinweis ,Mehr zum Thema’ die journalistische Aufarbeitung von Correctiv angezeigt werden (…). Der Test platziert also die Beiträge der Faktenprüfer prominent und in unmittelbarer Nähe zur angezweifelten Quelle. Wer den umstrittenen Beitrag sieht, sieht so gleich auch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Information, dass vermutlich etwas nicht stimmt damit.“

Falls Sie eher der visuelle Typ sind: So soll das aussehen.

Statt verkehrszeichenesker Warnhinweise soll der berechtigte Zweifel an der Richtigkeit einer Nachricht nun also ins Facebook-Feature „Mehr zum Thema“ ausgelagert werden, was erklärt, warum die Mitteilung der Product Managerin des Konzerns, Sara Su, für den ungeübten Laien vorrangig nach „Related-Articles“-Werbung statt nach Fake-News-Bekämpfung klingt

(„Im April 2017 haben wir in den USA damit begonnen, Related Articles zu testen, die erscheinen können, bevor ein konkreter, im News Feed geteilter Artikel gelesen wurde. Diese ergänzenden Artikel drehen sich um Themen, über die viele Menschen auf Facebook sprechen und werden in einem Bereich unter dem Link angezeigt. Seit Beginn des Tests haben wir das Feedback bekommen, dass die Related Articles dabei helfen, verschiedene Perspektiven kennenzulernen und zusätzliche Informationen zu erhalten. Außerdem hilft es den Menschen dabei zu entscheiden, ob eine gelesene Meldung irreführend oder falsch ist. Daher machen wir Related Articles jetzt breiter verfügbar“ und so weiter).

Doch auch dieses System hat seine Tücken, wie Michael Hanfeld heute auf der FAZ-Medienseite kolumniert (0,45 € bei Blendle):

„Doch worauf stützt sich die selbstlernende Software? Auf Hinweise und Kommentare der Nutzer. Was bedeutet: Je mehr Zweifel an einer Darstellung angemeldet werden, desto zweifelhafter erscheint sie bei Facebook. Das lädt zur Diskreditierung von Beiträgen ein, die den eigenen Ansichten widersprechen, und stärkt den in der Online-Welt von Lobbygruppen gesetzten Trend, politischen Meinungsstreit, in dem es häufig um Wertungen geht, zur Frage von ,richtig’ und ,falsch’ zu machen.“

Wer die Infrastruktur zur Kontrolle von Nachrichten bereitstellt, muss immer damit rechnen, dass diese missbraucht wird. So ist das sowohl mit Wahrheitsministerien als auch mit Facebook-Algorithmen. Doch die lassen sich halt schneller programmieren als die gern geforderte, aber zu wenig geförderte Medienkompetenz als eher langfristiger Schritt gegen die Fake-News-Epedemie (s. dazu auch die Nachricht aus der vergangenen Woche über gern geteilte, nicht als solche verstandene Satire).

Weitere Gelegenheit, noch besser zu scheitern, wird sich also bieten.

[+++] Um noch kurz bei Fake News bzw. FAKE NEWS! Totally untrue! und einer Administration, die sich damit auskennt, zu bleiben: The Mooch, der in seiner kurzen Amtszeit auch uns viel Freude bereitet hat, hatte offenbar noch ein Kommunikations-Konzept, das über verstörende Anrufe bei Mitarbeitern des New Yorker hinausgehen sollte. CNN hat es gestern veröffentlicht (eine Zusammenfassung auf Deutsch hat Zeit Online).

Darin lassen sich schöne Standards wie „POTUS can choose to fight with the media, but Comms can not“ oder „Comms should seek to de-escalate tensions with the media“ finden, aber auch Sätze wie

„Rather than traditional press conferences, POTUS should take questions from real citizens via Facebook live and/or other social media platforms.“

Was zur Gegenfrage einlädt: Was sind Journalisten? Fake-Bürger? Cyborgs? Klingonen?

Am besten gefällt mir aber die Überschrift über dem Kapitel, das sich vorwiegend mit der Zusammenarbeit zwischen Kommunikationsabteilung und Medien beschäftigt:

„The media is an important Comms customer“.

Ey, Mooch: Journalisten sind nicht dein gottverdammter Kunde, sondern Vertreter Deines Bosses. Nein, nicht der Clown mit den kleinen Händen, sondern das Volk.

Falls es noch eines weiteren Beweises für das seltsame Verständnis der Trump-Administration von der Aufgabe der Medien in einer Demokratie bedurft hätte, läge er nun vor.

Die Show geht übrigens weiter. Für heute hat Anthony Scaramucci eine Online-Pressekonferenz angekündigt. Man reiche Popcorn.

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[+++] Zurück ins Inland und den wirklich wichtigen Fragen betreffend eines Balles und der ihn tretenden Millionäre. Denn es gibt Neues in der noch immer offenen Frage, wo dieses Ereignis überall zu sehen sein wird, jetzt, da Sky nicht mal mehr behaupten darf, alle Spiele und alle Tore zu zeigen.

David Denk auf der SZ-Medienseite:

„Nach SZ-Informationen werden die 45 Spiele, an denen Sky nicht die Rechte hält und um deren Liveübertragung wochenlang gekämpft wurde, von der kommenden Saison an außer im Eurosport Player auch über die Satellitenplattform HD+ zu sehen sein. Voraussetzung ist neben dem TV-Empfang über HD+ ein zubuchbares Eurosport-Paket. Es ermöglicht den Zugriff auf den neuen Pay-TV-Sender Eurosport 2 HD Xtra und das Streamingportal Eurosport Player.“

Dass HD+ schon heute drei Millionen Kunden hat und das Eurosport-Paket fünf Euro im Monat extra kosten soll, weiß DWDL.

Die Möglichkeiten, bewusst für Bewegtbild zu bezahlen, das man sich zu sehen wünscht, nehmen also zu. Worunter die Bereitschaft leiden könnte, Gleiches für Inhalte zu tun, die man sich nicht ausgesucht hat. Aber da hier nicht der Redakteur einer gedruckten Medienseite (Name der Redaktion bekannt) spricht, können wir diese Gelegenheit, auf den Rundfunkbeitrag zu schimpfen, einfach mal verstreichen lassen. Stattdessen geht es weiter mit dem


Altpapierkorb.

+++ In der Türkei ist mal wieder ein Journalist, diesmal ein freier Mitarbeiter des französischen Fernsehsenders TV5, wegen Terrorverdachts festgenommen werden. Die taz hat den AFP-Bericht. +++

+++ „Die bevorstehende Wahl des VDZ-Chefs nähren (sic!) in der Branche aber auch Überlegungen, die Verbandsstrukturen der deutschen Verlagswirtschaft völlig neu zu ordnen. In Verlegerkreisen könnte man sich nach MEEDIA-Informationen auch vorstellen, eine Art Super-Verbandsholding zu etablieren“, munkelt bei Meedia Gregory Lipinski. +++

+++ Diesel-Gipfel-Berichterstattungs-Nachlese macht nach dem Altpapier gestern auch Stefan Winterbauer bei Meedia und glaubt: „Die Politik haben die Bosse offensichtlich im Sack. Jetzt schlägt die Stunde der vierten Gewalt.“ In seinem Journal bei der Medienkorrespondenz wundert sich derweil Dietrich Leder, warum die ARD am Mittwochabend statt eines „Brennpunkts“ ausgerechnet den Audi-Cup zeigte. +++

+++ Zur neuesten Arte-Antisemitismus-Debatte anlässlich der Doku „Gaza: Ist das ein Leben?“ (Altpapier am Dienstag und Donnerstag) hat Joachim Huber vom Tagesspiegel eine Meinung. Kurzfassung: „Wer nichts zu Nahost sendet, der sendet auch nichts Falsches zu Nahost“ - und das könne nicht die Lösung sein. +++

+++ Warum die Reichweiten-Zahlen der Mediaanalyse doch nicht so absurd sein könnten, wie in der vergangenen Woche dargelegt, hat sich Michael Meyer von @mediasres von diversen Pressesprechern erklären lassen. +++

+++ Die spannende Frage, ob Wolfgang Bosbach ein Gespräch mit sich selbst bis zum Ende durchsteht, klärt sich heute Abend, wenn er im ZDF sich selbst bzw. „Kessler trifft…“. Wobei die Sendung weniger Krawall, mehr Nachdenklichkeit verspricht, wie Martin Oehlen im Kölner Stadt-Anzeiger rezensiert: „Aus den vertrauten Elementen entsteht das Porträt eines Rheinländers, der sich zu politischem Ehrgeiz und Loyalität bekennt, zu familiären Versäumnissen und Fehlern, zu Engagement und bergischer Bodenhaftung. Über allem schwebt eine unabweisbare Melancholie, die der Krankheit geschuldet ist. Prostata und Lunge werden erwähnt.“ Weitere Besprechungen gibt es im Tagesspiegel sowie auf der Medienseite der FAZ (Oliver Jungen: „Der eigentliche Höhepunkt dieser Folge aber ist etwas ganz anderes, nämlich das Gespräch mit Wolfgang Bosbachs Mutter Else, die trotz hohen Alters nicht nur geistig topfit ist, sondern auf schönste Art Humor mit Direktheit verbindet“). +++

+++ Ob norwegische Rechte wirklich Bussitze nicht von Burka-Trägerinnen zu unterscheiden wissen, klären die Faktenfinder der „Tagesschau“. +++

+++ Was Lady Di über ihre Schwiegertöchter aus dem Grab in die britischen Tabloids diktiert, ist Thema auf der SZ-Medienseite, wo Christian Zaschke über den Nachrichtenwahnsinn berichtet, der anlässlich des 20. Todestages der britischen Prinzessin gerade über die Insel rollt. +++

+++ Für Übermedien haben Stefan Niggemeier und Sarah Kuttner RTLs „Sommerhaus der Stars“ angeschaut bzw. durchlitten. +++

+++ „Sie gehörten nie zu einem festen ,Tatort’-Team und sind doch fast Inventar: Insgesamt gibt es zwölf Schauspieler, die in den letzten 47 Jahren in mindestens zwölf unterschiedlichen Rollen der ARD-Krimi-Institution zu sehen waren – als Mörder, Verdächtiger, Opfer, Gastermittler.“ Über sie berichtet Alexander Attimonelli im Hamburger Abendblatt. +++

+++ In ihrer Spiegel-Daily-Kolumne erinnert Ulrike Simon an den einstige Stern-Chefredakteur Werner Funk. +++

+++ Falls Sie epd medien vermissen: Dort macht man gerade (verdiente) Sommer-Verschnaufpause. Die nächste Ausgabe erscheint kommende Woche. +++

Das nächste Altpapier gibt es hingegen schon wieder am Montag. Schönes Wochenende!

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