Hach, ist das spannend. Wird der öffentlich-rechtliche Jugendkanal für die dem Kinderkanal entwachsenen Zuschauer JA oder Funk heißen?
Für JA als Abkürzung für Junges Angebot plädiert der Tagesspiegel [Nachtrag um 12.01: inzwischen nicht mehr].
Der Name Funk wäre für ein Angebot, das bekanntlich ausdrücklich weder Fernsehen noch Radio sein darf, ziemlich pfiffig. Auf ihn, den als erstes wohl radiowoche.de hat läuten hören, tippen: dwdl.de, flurfunk-dresden.de, Stefan Niggemeier, die ehemalige Funk- (und jetzige Medien-)-Korrespondenz ... Für Funk wurden bereits Auftritte auf Youtube und Twitter angelegt, sowie ein eigener, funk.net, mit jugendlich buntem "In 01 Tag 14 Stunden ... ist das Internet vorbei"-Countdown [Nachtrag am Nachmittag: Der Countdown wurde vorzeitig abgebrochen ...].
Und dass Heike Raab, die als zuständige rheinland-pfälzische Staatssekretärin vom Angebots-Standort Mainz gewiss Bescheid weiß, ihren Followern ebenfalls diese bunte Webseite empfiehlt, deutet darauf hin, dass Funk stimmt.
Das gab es jedenfalls schon länger nicht mehr, dass "Spekulationen, die derzeit in medienjournalistischen Kreisen kursieren" (flurfunk-dresden.de), über die medienjournalistischen Kreise, in denen sie jeweils kursierten, hinauszirkulierten. Aber gerade ist's ein wenig spannend.
Das große epd medien-Interview mit Raab (also Heike) zu sämtlichen Baustellen der Medienpolitik inklusive der des Jungen Kanal-Angebots, um das es am Freitag hier im Altpapier ging, ist inzwischen übrigens frei online zu haben. Kreise, die den Überblick übers Themenfeld zu bewahren versuchen, sollten es lesen.
Falls dagegen wer noch Lust auf eine Junges Angebot-Erwartungshaltungs-Umschau im Sound der Jugend von heute verspürt: So eine hat Miguel Robitzky für dwdl. de verfasst:
"Ja, das junge Angebot von ARD und ZDF hat es schon vor dem Start alles andere als leicht. Ein einfaches Opfer. Macht Spaß draufzuhauen. Die Wörter 'jung' in einem Satz mit ARD und/oder ZDF klingen ja schon allein amüsant: Zwei klapprige Sender, deren Publikum im Durchschnitt über sechzig Jahre alt ist, versucht sich schmierig an die entgleiten zu drohende, junge Zielgruppe zu hängen ...".
Sie klingt aber halbwegs versöhnlich aus:
"Das Grundproblem wird bleiben: Hier soll eine ohnehin schon übersättigte Generation gefüttert werden, aber wenn wir dem Ganzen keine Chance geben, können wir auch nicht überrascht werden."
[+++] Wichtiger bis wichtigster Baumeister der europäischen Medienpolitik ist Günther Oettinger, und kaum jemand ist damit glücklich. Oettinger selbst wahrscheinlich auch nicht. Zumindest registriert er natürlich ebenfalls, wie er immer wieder zum "Dackel im Netz" gemacht wird. Unter dieser Überschrift stellte netzpolitik.org mit einem von Daniel Bouhs gefilmten und auf Youtube geladenen Ausschnitt aus der Oettinger-Rede auf dem Zeitungskongress (Altpapier vom Dienstag) den jüngsten Aufreger vor. Stefan Niggemeier als prominentester Verstärker solcher Aufreger spitzte bei uebermedien.de noch ein bisschen zu:
"Man kann Oettingers Sätze kaum anders verstehen, als dass er die Verlage dazu auffordert, ihre publizistische Macht dafür zu missbrauchen, öffentlich Stimmung für ein Gesetz in eigener Sache zu machen."
Das Gesetz, um das es geht, ist das Leistungsschutzrecht für Verlage, das Oettinger und die EU-Kommission EU-weit einführen möchte. Dazu ist schon sehr viel geschrieben worden, worauf Niggemeier in seinem Artikel auch verlinkt. Und dazu wird in den Nischen, die sich dafür interessieren, auch aktuell auf allen Kanälen viel diskutiert. Was immer sich Günther Oettinger vorwerfen lässt: dass er kein reges Social-Media-Team beschäftige, nicht. Vielmehr greift dieses etwa auf Twitter beherzt in Diskussionsstränge ein, um zum Beispiel den Internetauftritt empower-democracy.eu ("Support Independent Media For A Strong Europe") zu empfehlen, eine angenehm animierte, dezent-bunte, sympathischerweise nicht tönende Webseite, die mit durchaus schönen und wahren Argumten ("Europe's media landscape is unique in its diversity ...") arbeitet und dann wiederum auf die ähnlich ansehnlich programmierte Webseite publishersright.eu verweist.
Dort, etwas weiter unten (im beigefarbenen Bereich), einen dann der "Mythbuster", mit dem die Leistungsschutzrecht-Befürworter zehn Mythen wie z.B. "The publisher’s right is a Google/links tax" ähm, entzwei schlagen wollen, und zwar in genau dem Stil, in dem eloquente Leistungsschutzrecht-Gegner schon immer "Die 12 besten Lügen der Verlegerbroschüre zum Leistungsschutzrecht" (Niggemeier bei uebermedien.de im Mai) entzwei schlugen.
[+++] "Der Kampf um das Leistungsschutzrecht war Zeitverschwendung anstatt in nutzerfreundliche Paywalls zu investieren",
sagte in ähnlichen Zusammenhängen ein Medienmanager in einer Mitte September gehaltenen, nun zweifach (carta.info, correctiv.org) unter der provokanten Überschrift "Ohne Pressefreiheit kein Kapitalismus" veröffentlichten Rede. Christian Humborg sagte das aus einer luxuriösen Position heraus. Er ist Geschäftsführer bei correctiv.org, dem, wie er sagt, "ersten Nonprofit-Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum", dessen "Finanzierung in den ersten Jahren ... von Stiftungen dominiert" wird, "allen voran" der Brost- Stiftung. Die Brost-Stiftung speist sich aus dem Vermögen einer Familie, die, vereinfacht gesagt, genau rechtzeitig aus der Zeitungsgruppe, die früher WAZ hieß, ausgestiegen ist und mit dem dabei erhaltenen Geld nun auch schöne Dinge anstellen kann.
Ums LSR geht es in seiner unter mehreren Aspekten (z.B. noch: "Katastrophal aufgestellt sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ...") lesenswerten Rede nur ganz am Rande. Wofür Humborg vor allem plädiert:
"das Thema wirtschaftspolitisch zu diskutieren. Oft heißt es, Journalismus sei für eine Demokratie unverzichtbar. Das ist zweifelsohne richtig. Es wird viel zu sehr unterschätzt, dass Journalismus auch für das Funktionieren der Marktwirtschaft unverzichtbar ist."
Der wirtschaftspolitische Aspekt führt dann wieder zur auch auf dem eben erwähnten Zeitungskongress behandelten bzw. inzwischen bei jeder medienpolitischen Diskussion mindestens mitschwingenden Frage nach dem Umgang mit Facebook, Google und den anderen Quasi-Infrastrukturen der aktuellen Medienlandschaft.
"Es ist eine alte Frage der Wirtschaftspolitik, wie Monopole und Oligopole aufgebrochen und zerstört werden. Ich glaube nicht an das Argument der zeitlich befristeten Monopole, wie IBM, Microsoft und AOL, also dass wir neue Konzerne erleben werden und Google und Facebook wieder an Marktmacht verlieren, denn die erstgenannten waren Technologiekonzerne, aber nicht Medien- und Datenkonzerne.
Die Medien- und Datenkonzerne sind so mächtig, dass sie die Bedingungen definieren, was Erlösaufteilungen angeht: Bei der Google-Tochter Youtube gehen nur 55 Prozent an die Creators, aber stolze 45 Prozent an die Plattform. Michael Seemann hat in seinem lesenswerten Buch 'Kontrollverlust' vom Plattformkapitalismus gesprochen. Sobald die Marktmacht der Datenkonzerne gebrochen ist, wird die strategische Position der creators besser und das Geld wird vielfältiger fließen und nicht nur in die Taschen weniger globaler Größen. Durch vernünftige Wettbewerbspolitik müssen die Datenkonzerne zerschlagen werden, so dass sich die Erlöse zu Gunsten der Creators auf mehr Schultern verteilen ...",
argumentiert Humborg. Die "Marktmacht der Datenkonzerne" auf EU-Ebene zumindest zu begrenzen, wäre in der Tat verdammt nötig. Leider gibt es viele Gründe zu bezweifeln, ob die Institutionen der EU in ihrem aktuellen Zustand dazu in der Lage sind. Sich immerzu und überall über Günther Oettinger lustig zu machen, so sehr immer neue Ausschnitte und Anekdoten dazu auch einladen, hilft allerdings auch nicht weiter.
+++ "Nach 129 Jahren schliesst sich ein Kapitel Zeitungsgeschichte: Die internationale Ausgabe der 'New York Times' wird ab Oktober nicht mehr in Paris produziert, wie die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch von einem Gewerkschaftsmitarbeiter erfuhr. Das Blatt, früher unter dem Namen 'International Herald Tribune' bekannt, wird künftig in New York und Hongkong hergestellt. In Paris werden 69 Stellen gestrichen" (NZZ/ AFP). +++
+++ "Seit Amanda Knox vor neun Jahren verhaftet wurde, steht sie im Fokus eines weltweiten voyeuristischen Interesses. Auch der Streamingdienst Netflix versucht, von der zweimal als Mörderin verurteilten und zweimal wieder freigesprochenen Amerikanerin zu profitieren ..." Wovon Netflix jedenfalls profitiert: von der bis zur Selbstaufgabe reichenden Bereitschaft der Medienseite der Süddeutschen, ihren Lesern jede, aber auch jede, aber auch jede Netflix-Produktion ausführlich vorzustellen. Hoffentlich profitiert von dieser Kooperation auch die Zeitung selbst ein bisschen, damit ihre anderen Ressorts weiter vorne im Blatt ihre Ansprüche noch bewahren können . +++
+++ Außerdem geht's ebd. kurz ums neue Boom-Printgenre Thermomix-Zeitschriften sowie ein Hörspiel nach Roland Schimmelpfennig. +++
+++ Auf der FAZ-Medienseite geht's um die Serie "Westworld" ("beginnt am Sonntag, 2. Oktober, beim Abosender Sky"). +++ Und Michael Hanfeld greift in die Hamburger-Datenschützer-vs.-Facebook-Debatte (AP gestern) ein: "Facebook handelt vielmehr nach dem Motto: Wer die Daten hat, der hat sie und gibt sie nicht wieder her. ... Der Konzern ... legt es auf eine Machtprobe an und fordert den Staat heraus". +++ Und es gibt die Zahlen zum ersten US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten-TV-Duell: Es wurde "von mehr als 84 Millionen Menschen gesehen. Damit wäre es die meistgesehene aller bisherigen TV-Debatten amerikanischer Präsidentschaftskandidaten. Die Zahl hat das Nielsen-Institut ermittelt. Zu den Zuschauern, welche die Sendung vor dem Bildschirm verfolgten, kommen noch einige Millionen hinzu, welche die Debatte in Livestreams im Internet oder bei Facebook gesehen haben. ... Erwartet worden war insgesamt eine Zuschauerzahl von hundert Millionen Menschen ..." +++
+++ Die beste Nachricht des Tages: "die Freilassung der in Syrien entführten deutschen Journalistin und ihres in Gefangenschaft geborenen Kindes" (reporter-ohne-grenzen.de). Der Name der offenkundig sehr lange gefangen gehaltenen Reporterin bleibt auch bei SPON ungenannt. +++
+++ Drei von vier glücklichen Besitzern griechischer Fernsehsende-Lizenzen sind Reeder. Doch wegen des vierten drohe "ausgerechnet ein Vorzeigeprojekt der Regierung Tsipras ... sich zum schlimmen Debakel zu entwickeln: die jüngst mit viel Tamtam initiierte Auktion von vier Sendelizenzen im Privat-TV" (Ferry Batzoglou, TAZ). +++
+++ Digital ist besser und Hanau ist digitaler als Berlin (oder so, Tagesspiegel). Außerdem ebd.: das Berliner Fernsehserienfestival Serienale und seine Probleme. +++
+++ Sollten Sie nach neuem Was-mit-Medien-Stoff im Internet suchen: Jetzt gibt's auch noch tvdiskurs.de, ein junges Angebot der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V.. +++
+++ In Österreich beginnen Diskussionen zur "anstehenden Gebührenerhöhung". Der ORF kalkuliere "mit einem Anstieg um 10,5 Prozent" und argumentiert: "Das Publikum zahlt heute real weniger für deutlich mehr Programm", berichtet der Standard. Auch noch interessant: das Argument "die Werbeeinnahmen ... seien 'massiv zurückgegangen', insbesondere ab 2007 mit der Umstellung auf digitalen TV-Antennenempfang, der die meisten Antennenseher zu digitalem Satempfang trieb – und damit wurden auch sie für die Werbefenster deutscher Privatsender erreichbar." +++
+++ Weiterhin gegen die Beitragspflicht in Deutschland streitet Handelsblatt-Redakteur Norbert Häring. Daher freut er sich auf norberthaering.de über ein Tübinger Landgerichts-Urteil, demzufolge der SWR u.a. "keine Behörde" sei und "deshalb nicht vollstrecken" könne. +++
+++ "Dieter von Holtzbrinck: ein Verleger wie aus dem Buche. Und Bücher hat er lange auch verlegt. Heute sind es Zeitungen, die er führt, man muss sagen: weiterführt", und weil der Tagesspiegel ja so eine Zeitung ist, sogar eine Qualitätszeitung, hat er zum 75. seines Verlegers kein Buch geschrieben, sondern ein allerliebst devotes Artikelchen. Hoffentlich wird das Geburtstagskind nicht "ungehalten", dass so viel "Aufhebens um ihn gemacht" wurde. Aber eigentlich werden angestellte Mitarbeiter bei Holtzbrinck-Medien ganz okay behandelt ... +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.