Der 3. Mai ist der „Tag der Pressefreiheit“. Zwar ist der Spott über die Flut an Gedenktagen zu jedem wichtigen und bedeutsamen Anlass berechtigt. Immerhin kann aber so die PR-Branche über sich sagen, dass jeder Tag als Gedenktag ein PR-Tag geworden ist. Es gibt immer einen Anlass, über etwas Positives zu berichten. Nur ermöglicht die Pressefreiheit gerade nicht den Bericht über das Positive, sondern die kritische Würdigung staatlichen Handelns. Im Kern ist es immer noch ein Abwehrrecht gegen den Staat geblieben. Deshalb ist diese Weltkarte von Reporter ohne Grenzen zugleich ein Dokument darüber, wo die Demokratie noch funktioniert. Wo der Zwang, der eigenen Regierung nur Positives zuzumuten, gerade nicht das journalistische Denken vergiftet hat.
+++ So mancher Journalist wäre deshalb durchaus erfreut, wenn er ein mit Erzieherinnen oder Lokomotivführern vergleichbares Gehalt bei ähnlicher sozialer Absicherung erzielen könnte. Der relative soziale Abstieg dieser Berufsgruppe hat ja schon längst begonnen. Vielleicht ist der Roboter-Journalismus eine Alternative? Er produziert Texte für zwei bis drei Euro, weil Maschinen zwar Wartung, aber sonst nichts anderes brauchen. Er befriedigte das Informationsinteresse der Leserschaft („Kates Baby ist da“ oder „Bayern verwandelte einen Elfmeter“), aber verzichtete auf jeden kritischen Gedanken über das zu bearbeitende Thema. Nur warum macht sich eigentlich niemand darüber Sorgen, ob man die PR oder die staatliche Informationspolitik ebenfalls durch Roboter-PR oder Roboter-Propaganda ersetzen kann? Davon ist nie etwas zu hören, weil PR und Propaganda funktionierende Geschäftsmodelle haben. Und niemand ist dort so blöd, dummen Maschinen etwas mitteilen zu lassen, was ohne menschliche Kreativität auskommt. Selbst Google kommt nicht auf die Idee, seine Außendarstellung ihren berühmten Algorithmen anzuvertrauen, obwohl Kay Oberbeck sicherlich mehr braucht als nur Wartung. Wenn sich Google und die mit ihm neuerdings kooperierenden Medienunternehmen über neue Projekte Gedanken machen wollen (Siehe zuletzt auch das Altpapier von Donnerstag), wäre hier ein nützliches Thema zu finden: Ist Roboter-PR und Roboter-Propaganda möglich? Schließlich wäre der Produktivitätsfortschritt gigantisch zu nennen, wenn solche Informationsbausteine nur noch zwei oder drei Euro kosteten. Wer wollte dann noch den Lebensunterhalt für Google-Sprecher Kay Oberbeck oder Regierungssprecher Steffen Seibert sicherstellen?
+++ Dazu wird es natürlich nicht kommen. PR ist schließlich schon immer vernetztes Arbeiten gewesen (auch „Networking“ oder „Strippen-ziehen“ genannt), weil ansonsten sogar die am besten formulierten Pressemitteilungen ungelesen in den Papierkorb wandern. Der Journalismus lebt davon, dieser Flut an positiven Botschaften etwas entgegenzusetzen. Oder besser formuliert. Er hat darin seine publizistische Existenzberechtigung, ob er davon auch leben kann, ist ja nicht mehr so sicher. Das ist er seinen Kunden schuldig, weil diese ansonsten nichts mehr finden, was sich den Einflüsterungen (oder manchmal auch dem Gebrüll) von Interessengruppen widersetzt. Die neue Digital-Chefin der NZZ, Anita Zielena spricht dann auch im Interview von „erstklassigem Journalismus“, der im Vordergrund zu stehen habe. Aber ansonsten geht es dort nur um die technische Umsetzung von Kundenansprache und die Nutzung diversifizierter Digitalkanäle. Die von Frau Zielena hoch gelobte New York Times macht in der Beziehung alles richtig, aber trotzdem offenkundig Millionenverluste. Es geht also nur um die Antwort auf eine Frage: Finden sich noch genügend Leser und Zuschauer, die auch als Kunden bereit sind, für journalistische Produkte Geld auszugeben? Dass der Journalismus dabei nicht mehr seine Informationen auf Papyrus oder Steintafeln verbreitet, ist nun wirklich nicht das Thema. Aber diese Flucht von Digitalexperten in die Technologie ist schon Ausdruck des Strukturwandels in der Branche. Am Ende könnte der Zwei-Euro-Roboter-Journalismus stehen, der allerdings von realen Menschen in der PR gefüttert und programmiert wird.
Dafür hat aber der Journalismus in dieser Woche sein Thema gefunden, den Lokomotivführern sei Dank. Bestimmt wird man sich jetzt Gedanken über Roboter-Züge machen, die die streikenden Mitarbeiter bei der Deutschen Bahn ersetzen könnten. Wie wohl ein Roboter-Journalismus darüber berichtete? Bei eventuellen Unfällen nüchtern und ohne jene Empörung, die nur Menschen empfinden können. Wenn in diesen Zügen nur Roboter saßen, wird sich das sicherlich auch als angemessen erweisen. Bis dahin haben wir als Journalisten aber weiterhin mit solchen Problemen zu kämpfen, das etwa hier von einem Algorithmus gefunden worden ist.
Altpapierkorb
+++ Beispiele für den Kampf um die Pressefreiheit gibt es etwa bei Zapp und Markt und Medien. In der Welt wird das Buch der französischen Journalistin Anna Erelle rezensiert, die verdeckt über digitale Kanäle im Islamischen Staat recherchierte. "Mit Strapsen in den Dschihad", so der Titel des Artikels. Dass die potentiell männliche Leserschaft auf Strapse anspringt, weiß sicherlich auch eine Journalistin wie Martina Meister, gleichgültig welche Strumpfmode sie selbst bevorzugen sollte. Aber der Titel des Buches "("Undercover-Dschihadistin, Wie ich das Rekrutierungsnetzwerk des Islamischen Staats ausspionierte") stellt dem kritischen Geist einige Fragen, sogar profan in Socken. Ist es eigentlich die Aufgabe von Journalisten, den IS auszuspionieren, um Sicherheitsbehörden Hinweise auf deren Rekrutierungsnetzwerk zu geben? Frau Erelle lebt mittlerweile unter Polizeischutz, weil sie vom IS mit dem Tode bedroht wird. Sie betrachten die Kollegin als Spionin. Die Grenzen zwischen Spionage und investigativen Journalismus sollten nicht allzu sehr verschwimmen. Bei aller berechtigter Abscheu vor dem Islamischen Staat: Als Journalist lebt man von der kritischen Distanz zu allen Akteuren, gleichgültig wie unterschiedlich man sie beurteilt. Spionage ist der Job einer anderen Feldpostnummer, um einmal an einen fast schon vergessenen Jargon zu erinnern.
+++ Noch werden immerhin Chefredakteure und Berater nicht von Robotern ersetzt. Davon profitierte jüngst Christopher Lauer, der sich bekanntlich um die Innovationen bei Springer kümmert. Damit macht sich zwar nicht nur Freunde, wie man bei Netzpolitik nachlesen kann. Aber das Berliner Abgeordnetenhaus ist halt ein Feierabend-Parlament, wo man sich spätestens bis zur nächsten Wahl um Job-Perspektiven kümmern sollte. Jenseits dessen hat Lauer im Spiegel die genannte Verlagskooperation mit Google kritisiert. Inhaltlich ist daran wenig auszusetzen, wenn sich auch der Vorwurf der Industriespionage angesichts der aktuellen Debatte etwas kokett anhört. Was aber jetzt wirklich einmal thematisiert werden sollte: Was hätten wir wohl gesagt, wenn Lauer beim BND angeheuert hätte? Der braucht eine gute PR. Wenigstens solange, wie sich kein Politiker findet, der ihm wirkungsvoll Grenzen setzt.
+++ Wer auch nicht auf Roboter vertraut: Der Schweizer Verleger Michael Ringier. Er setzt auf den ehemaligen Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner, was turi zu einigen publizistischen Höhenflügen verleitet. Sie blicken zudem in die neue Beilage der Welt am Sonntag.
+++ Der Spartensender der ARD namens Alpha hat einen interessante Interviewreihe zum Thema "Medienethik". In der zweiten Folge geht es um die "Zukunft des Journalismus" mit Alexander Filipovi?. Das Zuschauen lohnt sich.
+++ In seinem Newsletter berichtet Focus-Chefredakteur Ulrich Reitz von den "Nöten des BND". Wenn erst jeder deutsche Chefredakteur einen eigenen Newsletter hat, kommen Medienkritiker nicht mehr zum Zeitung lesen. Sie wären dann mit deren Lektüre komplett ausgelastet.
+++ Über den Roboter-Journalismus im Magazin-Format macht sich Markus Böhm in seinem Blog Gedanken. Jenseits der berechtigten Kritik an der Einfallslosigkeit mancher Magazinmacher: Aber deren Leser wären wohl doch irritiert, wenn Lieblingsrezept, Bella und Laura plötzlich mit der NSA und dem BND aufmachten. Obwohl für Lieblingsrezept gäbe es eine Idee. Wie wir der NSA die Suppe versalzten. Aber daran arbeitet wahrscheinlich noch nicht einmal der bekannte Untersuchungsaussschuss im Deutschen Bundestag.
+++ Was jetzt nicht mehr fehlt? Margrit Sprecher auf Zeit online über die NZZ. Via Christoph Kapppes auf Twitter, der den Link Ronnie Grob verdankte. Außerdem dem Kollegen Lars Fischer für Freitag eine Mitfahrgelegenheit nach Hamburg. In Zeiten des GDL-Streiks sollten wir in Personenkraftwagen zusammenrücken.
Das Altpapier gibt es wieder am Dienstag.