Die Suche nach journalistischen Geschäftsmodellen geht munter voran, wobei allerdings die Abwicklung der bisherigen weiterhin im Vordergrund steht. So muss man sich fragen, ob die Suche nach Investoren im Journalismus überhaupt noch einen Sinn hat, wenn Investoren meint, mit dem Investment Geld verdienen zu wollen. Werden also Medienunternehmen zu einem Hobby, vergleichbar mit dem Sammeln von Oldtimern?
Immer wieder Montags wird der Medienwandel praktisch. So auch heute beim Echo Medien Verlag, wie die Frankfurter Rundschau schon am Freitag berichtet hatte. Der Herausgeber der Darmstädter Echo sieht eine „tiefgreifende Sanierung“ für sein Blatt. Was das bedeutet, wird er seinen Mitarbeitern heute auf einer Betriebsversammlung mitteilen. Es droht anscheinend der Abbau von 150 Arbeitsplätzen. Ein anderes Problem hat Brand eins. Oder ist es vielleicht gar keins? Der Spiegel berichtet heute von der Suche des bisherigen Investors BMP nach einem „strategischen Investor“. Bekanntlich ist der Unterschied zwischen einem strategischen und einem nicht-strategischen Investor der zwischen einem, der sich für Geld und Inhalte sowie einem, der sich bloß für Geld interessiert. Als „strategischer Investor“ für das Wirtschaftsmagazin werden vom Spiegel der Schweizer Ringier Verlag sowie Gruner und Jahr genannt. Beide haben in ihren jeweiligen Häusern ebenfalls gewisse Probleme zu regeln, was etwa bei Gruner und Jahr sogar zur vorläufigen Aussetzung des Henri-Nannen-Preises führte. Der Spiegel berichtet von der stolzen Summe von 25 Millionen €, die der bisherige Investor für Brand Eins „aufgerufen“ habe. Kein Wunder also, wenn man jetzt schon etwas zurückrudert und nur noch von der Abgabe von 25% für besagten „strategischen Investor“ die Rede sein soll. Außerdem, so ist zu hören, „rede man schon immer mit Interessenten“.
+++ Nun ist mittlerweile nicht auszuschließen, ob im Medienwandel bald anstatt der Suche nach kapitalistisch motivierten Investoren die nach Sponsoren zum dominierenden Geschäftsmodell werden wird. Es wäre das Jeff-Bezos-Modell für die Washington Post. Man hält sich eine Zeitung oder ein Medienunternehmen als Hobby, wie man sich etwa als Milliardär eine Oldtimer-Sammlung in die Tiefgarage stellt. Die etablierten Medienunternehmen könnten sehr schnell zu diesen Oldtimern werden, wenn sie nicht die am Samstag im Medienmagazin des Deutschlandfunk wieder gestellte Frage nach dem vermaledeiten Geschäftsmodell beantworten können. Wobei hier wiederum der Spiegel ein ganz besonderes Krisenprofil entwickelt hat: Die Kabale in Hamburg erinnert allmählich an eine Soap Opera. Insofern könnte es ein Geschäftsmodell sein, wenn der Spiegel die Rechte an dem Drama an RTL verkauft, womit Bertelsmann immerhin in seinem Fernsehbereich ein Format haben könnte, das die Einnahmen generiert, die ansonsten zunehmend fehlen. Dann bliebe sogar etwas für ein „Strategisches Investment“ bei Brand eins übrig. Die FAZ versucht es dagegen klassisch, wie man am Samstag erfahren konnte. Interessant ist aber nicht die Preiserhöhung für die Printausgabe, sondern die Aussage zum digitalen Markt. Den gibt es bekanntlich noch nicht, weil ein Markt nichts anderes macht als Knappheit zu signalisieren. Zur Zeit kann davon in der schönen neuen Online-Welt nicht die Rede sein. Dort ist alles gratis zu haben.
„Eine FAZ-Sprecherin betonte gegenüber Newsroom.de dagegen, dass die „Aussage von Herrn Lindner bei der Mitarbeiterversammlung lautete, dass die FAZ so gut sein und bleiben muss, dass wir irgendwann für das Jahresabonnement 1000 Euro verlangen könnten und für das digitale 500 Euro. Das war ein Bild, um zu demonstrieren, wie wichtig die Qualität der Zeitung ist, keine Preisstrategie.“
Nun mag zwar Qualität ein knappes Gut sein, nur lässt sich diese bis heute im Journalismus eben nicht monetarisieren, weswegen sich für den Journalismus zunehmend weniger „Investoren“ interessieren. Man darf also gespannt sein, wie man sich nicht nur in Frankfurt am Main in Zukunft die Zukunft eines Marktmechanismus vorstellt, den es bis heute gar nicht gibt.
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+++ Dafür erlebte man an diesem Wochenende noch etwas anderes. Das Ableben eines Medienprojektes namens Piraten. Diese firmierten zwar offiziell als politische Partei, waren aber nie etwas anderes gewesen als der schaurige Beleg für die These, warum die klassische Gatekeeper-Funktion des Journalismus doch seine Vorteile hat. Ohne Twitter, Blogs und ähnliche Tools zur Transparenz von Inkompetenz hätten die Piraten sogar eine richtige Partei werden können. Mittlerweile haben sie allerdings einen geringeren Unterhaltungswert als ein Interview der Bild am Sonntag mit Rosamunde Pilcher zu ihrem 90. Geburtstag. „Ich habe in meinem Leben mehr gebügelt als geliebt“, so ist dort zu lesen. Man muss sich nur einmal vorstellen, wenn die Piraten diesen Ratschlag beherzigt hätten, und gebügelt statt getwittert hätten. Sie hätten sogar noch Zeit für Politik gehabt. So sind jetzt die Bürgerrechte in der Digitalisierung wieder verwaist, weil von der Großen Koalition in dieser Hinsicht nichts zu erwarten ist. Vielleicht sollte man der FDP ein Bügeleisen schenken.
+++ Wie klassischer Journalismus funktioniert, konnte man ebenfalls in besagter Sonntagszeitung lesen. Zwar wirkt der Bild-Chefredakteur Kai Diekmann auf Twitter mittlerweile ebenfalls wie sein eigener Satire-Account, aber die Kollegen vom Sonntag übten sich in christlicher Nächstenliebe und in der Verteidigung des Rechtsstaates. Ihr ganzes Trachten gilt der Resozialisierung von Uli Hoeneß. Sie hatten keine Mühe gescheut, um exklusiv von seinem ersten Freigang aus der Haftanstalt berichten zu können. In einem Kommentar forderte der Textchef des Blattes, Stefan Hauck, gleiches Recht für alle, solange sie Hoeneß heißen.
„Denn das Gesetz sieht für Ersttäter wie Hoeneß Ausgang vor, Freigang und sogar den offenen Vollzug vor Haft-Ende. Der Steuersünder Uli Hoeneß mag nicht der Prototyp des reuigen Sünders sein. Aber dieses Gesetz gilt auch für ihn.“
Da ist man jetzt aber gespannt, ob die Bild am Sonntag dieses Rechtsstaatsdenken in Verbindung mit christlicher Nächstenliebe auch bei anderen Delinquenten beweisen wird. Etwa wenn sie nicht Uli heißen, sondern es sich um Einwanderer mit für deutsche Ohren exotisch klingende Namen handelt.
Altpapierkorb
+++ Jeff Bezos wurde schon erwähnt. Seine Neigung zur Philanthropie ist bekanntlich begrenzt. So wird ab heute wieder an deutschen Standorten gestreikt und muss er sich mit der Gefahr aus China namens Alibaba auseinandersetzen. Zudem hat das Unternehmen notorisch Krach mit deutschen Verlagen. Da ist es doch gut, einmal etwas Positives zu hören, wenn schon sonst niemand etwas Nettes zu Amazon einfällt. In Cachys Blog bekommt man eine Bedienungsanleitung zur Amazon Fire TV, der "Box, die es in sich hat." Bekanntlich kann man, anstatt wie Frau Pilcher zu bügeln, seine Zeit auch vor dem Fernseher verbringen. Es wird so auch klar, was der Unterschied zwischen Journalismus und anderen Formen der Berichterstattung sein könnte: "Ob mit Smart TV, Konsole oder anderem Zuspieler: für das Prime-Angebot von 49 Euro war Amazon Fire TV für mich eine Entscheidung, die ich sofort und ohne großes Überlegen treffen konnte. Kompakt, dazu die überaus einfache und gute Bedienung. Auch wichtig, wenn ihr eine solche Box der Frau oder Freundin unterjubeln wollt. Und für 99 Euro? Ein immer noch fairer Deal, wenn ihr in die Welt von Smart TV einsteigen wollt. Amazon hat da ein gutes Gerät hingelegt." Man könnte der Freundin auch ein Bügeleisen unterjubeln. +++
+++ Dafür wird in der Funkkorrespondenz unter dem programmatischen Titel "Weltspiegel extra spät" auf die seltsame Programmplanung der ARD eingegangen. +++
+++ In der FAS beschäftigte sich Volker Zastrow mit dem Thema politischer Journalismus. Der Anlaß ist das gescheiterte Referendum in Schottland über deren Unabhängigkeit vom vergangenen Donnestag (siehe auch das Altpapier dazu). "Immer und überall hört man, dass Leute sich nicht für Politik interessieren, weil die Politik zu starr ist, so statisch, so langweilig und grau. Es gibt auch politische Journalisten, gar nicht so wenige, die genauso empfinden, natürlich, es geht ihnen nicht anders als den Bürgern, sie sind ja selbst welche. Sie schreiben graue Texte mit grauen Worten über graue Dinge, weil es irgendwie nicht anders zu gehen scheint, und leiden darunter. Weil wir alle uns irgendwie daran gewöhnt haben, dass Politik so ist. Dass sie nicht einmal mehr die Sprache vorhält für das, was uns berühren und bewegen kann, und dass sie das, was bewegt und berührt, stumm und sprachlos macht. Die graue Sprache der Politik, „hilfreich“, „alternativlos“ und solches Zeug. Oder, als Pseudo-Alternative: die durchgeknallten Wutblasen der User-Kommentare, die am Ende auch nur Langeweile verbreiten, aber mit Trollpopel-Aroma." So berichtet auch der Spiegel von dem Wunsch des Bundespräsidenten nach einer zweiten Amtszeit. Hier wird Transparenz im politischen Journalismus in der klassischen Variante demonstriert. Denn es geht nicht darum, wer etwas dazu sagt (oder twittert), sondern wer jetzt bei diesem Thema gar nichts sagt. Im Schweigen ist die Botschaft zu finden. Die Bundeskanzlerin hat das im Gegensatz zu den Piraten schon immer gewusst. +++
+++ So sieht scheinbar ein Geschäftsmodell aus. Es hat allerdings mit Journalismus nichts zu tun. Der berichtet nur darüber. +++
+++ Außerdem will das Auswärtige Amt das Netzportal Qantara schließen, so ist auf der Medienseite der FAZ zu lesen. Der Sinn dieser Maßnahme erschließt sich nicht, wenn man die Nachrichten aus dem Mittleren Osten verfolgt. Aber dafür hat die Evaluierung dieser Seite das Auswärtige Amt 40.000 € gekostet, um die entsprechende Empfehlung, sie fortzusetzen, jetzt zu ignorieren. +++
+++ Wie Deutschland Chinas Hintern küsst. Es geht um den Umgang von Journalisten mit, wie sagt man es am besten, der chinesischen Herausforderung? +++
+++ So wie Lobbyisten die Bundesregierung in Berlin bewerten, könnte man die Arbeit der Bundesregierung sogar positiv beurteilen. "Bei der Bewertung der Arbeit der Bundesregierung in einzelnen Politikbereichen erfährt die Wirtschaftspolitik die größte Zustimmung, 50 Prozent bewerten sie mit ,gut', 2 Prozent mit ,sehr gut'. Außenhandels- und Gesundheitspolitik liegen auf den Plätzen zwei und drei. Am schlechtesten wird die Regierungspolitik im Bereich Arbeit und Soziales eingeschätzt, 74 Prozent stimmen für ,schlecht' oder ,sehr schlecht'." +++
+++ Was heute noch fehlt? Die Tatort-Bestmarke mit einem "Jahrhundert-Rekord". +++
+++ Meedia schreibt jetzt auch am Drehbuch für das Spiegel-Drama mit.
Das nächste Altpapier gibt es wieder am Dienstag.