Wie gewohnt gleich die kritischen Fragen

Wie gewohnt gleich die kritischen Fragen

Udo van Kampen will zur Routine seines unbestechlichen Journalistenlebens zurückkehren, nachdem er sich als Geburstagsständchen für die Kanzlerin geoutet hat. Wird das gut gehen? In Sachen "Deutschlands Beste" handelt das ZDF, ohne sich den eigentlich interessanten Fragen zu stellen. Ruprecht Polenz große Stunde ist noch immer yet to come.

Die Mediennachricht des Tages ist heute leicht zu identifizieren:

"RTL-II-News ziehen nach Berlin"

Ha, ha, kleiner Scherz zum Reinkommen. Der KSTA, der wohl eine standortpolitische Restverantwortung spürte, hat die Agenturmeldung erkennbar lustlos zusammengekürzt:

"Neuer Standort wird das Hauptstadtstudio der Mediengruppe RTL. Betroffen seien 20 feste Mitarbeiter in Köln. 'RTL II News' ist bei den 14- bis 29-jährigen Zuschauern laut GfK-Fernsehforschung in Nürnberg die erfolgreichste TV-Nachrichtensendung um 20.00 Uhr."

Die Betroffenenzahl gibt immerhin einen Hinweis auf die Motivation zum Umzug. Personalloswerden über Bande. Vielleicht könnte die Deutschlandkarte des Zeit-Magazins mal diese Betroffenenzahlen der letzten Jahre visualisieren (diverse Sat.1-Moves, Neon nach Hamburg, usw), um einen Eindruck davon zu kriegen, wo wie viele Betroffene zurück geblieben sind. Vielleicht ist das aber auch zu insideristisch.

Den Namen Oliver Fuchs singen dagegen die Kinder auf den Straßen. Der ZDF-Unterhaltungschef hatte seinen Rücktritt angeboten, nachdem die Manipulationen von "Deutschlands Beste" nach den Zapp-Recherchen von Boris Rosenkranz nicht mehr zu leugnen waren.

"Der schnelle Vergleich mit dem ADAC schien hart, aber angemessen – ganz zutreffend ist er aber nicht. Denn anders als der Automobilclub mit seiner gefälschten Autohitparade ließen sich die Verantwortlichen des ZDF nicht lange bitten."

Schreibt Ulrich Clauß recht freundlich in Springers Welt. Wie die ganze Angelegenheit überhaupt in recht mildem Licht erscheint.

Denkt man da das Interview, das die gefeuerte NYT-Chefredakteurin Jill Abramson gerade Cosmopilitan gegeben hat, kann man auf andere Ideen kommen. Abramson gesteht etwas ein:

"I did cry after reading [that] article about me in Politico. I don't regret admitting I did. The reason I wanted to do this interview is that I think it is important to try to speak very candidly to young women. The most important advice I would still give — and it may seem crazy because I did lose this job I really loved — you have to be an authentic person. I did cry. That is my authentic first reaction. I don't regret sharing that."

"[That] Article in Politico" ist eine mit lauter Insider-Episoden ("one reporter said", "said another staffer") gewürzte Abramson-Vernichtung, bei der man nicht sicher ist, was stimmt und was Politik daran ist.

Verglichen damit sind die Oliver-Fuchs-Deutschlands-Beste-Texte alle sehr friedlich. Kein Grund, Tränen in die Augen zu kriegen.

Björn Wirths Beitrag in der Berliner ist so ergebnisorientiert, dass man daraus nur nachrichtlich zitieren könnte. Im Kommentar von Wirths Kollegin Ulrike Simon findet sich immerhin eine kleine Spitze, die auf einen größeren Problemzusammenhang der ganzen Fuchs-Verpflichtung zur ZDF-Unterhaltungsfernsehaufmöbelung verweist:

"Fuchs sollte das ändern, dafür holte Himmler ihn von der Produktionsfirma Eyeworks. Dort war er unter anderem für Trash-Formate fürs Privatfernsehen wie 'Schwiegertochter gesucht' oder 'Lothar – Immer am Ball' verantwortlich."

Anderswo werden nämlich nur die Fernsehpreise und akzeptierteren Formate ("Rach, the Restauranttester") erwähnt. Dabei könnte ein öffentlich-rechtlicher Sender ja auch einen anderen Begriff von Fernsehen (und sich selbst haben), als den Konsens des Privatfernsehens auch produzieren zu wollen.

Könnte.

Bemerkenswert ist in der Fuchs-Sache also, dass es keine Mitteilungen von Mitarbeitern gibt – entweder wird beim ZDF derart dicht gehalten oder der deutsche Medienjournalismus ist zu schlecht vernetzt, wie wir Hauptstadtjournalistennasen sagen.

Für die SZ (S. 29) versuchen Friederike Zoe Grasshoff, Christopher Keil und Katharina Riehl das Bild zu weiten, indem sie Fuchsens Mission im Ganzen Paroli laufen lassen.

"Welche Rolle Fuchs genau spielte, ist trotzdem nicht ganz klar: Er soll, so habe es die interne Untersuchung ergeben, zwar selbst nicht Hand angelegt haben, beim Sender heißt es offiziell, er habe 'keine Kenntnis' von den Manipulationen gehabt. Auch sei ihm keine Beteiligung an den Schummeleien nachgewiesen worden. 'Doch er hat sich nicht genug gekümmert', sagt ein ZDF-Manager. Außerdem sei ihm wenig geglückt, am wenigsten die Modernisierung von Wetten, dass ..?"

Verbindet sich mit dem erstem Nachfolger eine Hoffnung?

"Für Moderator Kerner, der am Donnerstag nicht zu sprechen war, sollen offenbar bis Herbst neue Shows entwickelt werden. Nur, von wem? Kommissarisch könnte der stellvertretende Unterhaltungschef Thorsten Haas das Kommando übernehmen. Haas hat eine ZDF-Biografie."

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Was immer das heißt. Der Spatz in der Hand dieser Geschichte ist bislang also, eine komplett überflüssige Sendung los zu seien. Weiteres muss man sehen, wobei sich Joachim Huber im Tagesspiegel hervortut, auf die doch merkwürdigen Punkte in der aktuellen Bebügelungsaktion – Himmler hat nichts gewusst und bleibt, Fuchs hat nichts gewusst, tritt aber zurück, eine Teamleiterin und eine Redakteurin werden abgemahnt/runtergestuft, Kerner hat auch nix gewusst und schweigt – mit einer gewissen Schärfe hinzuweisen.

"Für Beobachter wie Insider ist es überraschend, wie wenige im ZDF, gebührenfinanziert und eigener Aussage nach intern und von den Gremien streng kontrolliert, darüber Bescheid wissen, wer wie Primetime-Fernsehen macht."

In der Tat. Ist es wirklich glaubhaft, dass irgendwann beim Sendungsmachen auffällt, dass das Umfrageeinholen nicht mit dem Gewinnspielgedöns und den eingeladenen Gästen, die kommen, weil sie sonst nichts zu tun haben, zusammengeht? Und fällt das dann zwei Subalterninnen auf, die, aufopferungsvoll, dienstbeflissen, das in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf eigene Kappe kreativ lösen? Nochmal Huber mit einem Hauch von internem Gerede:

"Bei ZDF-Mitarbeitern in Mainz wurde Fuchs’ Rücktritt als 'Bauernopfer, aber ein hohes' bezeichnet und zugleich die Stirn darüber gerunzelt, dass weder Fuchs noch der ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler von den Usancen bei 'Deutschlands Besten!' nicht gewusst haben sollen. Schließlich sei die Anstalt sehr hierarchisch aufgebaut."

Michael Hanfeld, der in der FAZ gefühlt seit Tagen den gleichen Text schreibt, hofft, was Fragen angeht, immer noch auf die Aufklärung durch das gleißende Licht von Ruprecht "Super Trouper" Polenz:

"Der Fernsehrat, dessen Vorsitzender Ruprecht Polenz zu dem Skandal einen umfangreichen Fragenkatalog formuliert hat, kann sich darum jetzt verdient machen. Muss er sogar."

Hauptstadtjournalistennasen würden vermutlich sogar fordern, dass Polenz jetzt "liefern" müsse. Die Frage ist nur, was. Die erste Einlassung des obersten ZDF-Wächters hat sich, wie gestern hier bereits angemerkt, mal schön als astreine Nebelkerze rausgestellt.

Das Problem mit "Experten" lösen zu wollen, die bei der Auswertung von Umfrageergebnissen aufpassen, ist eigentlich ein dreister, höhnischer Vorschlag: Da bastelt sich ein Sender zynisch ein Schmierentheater zurecht, an das keiner der Beteiligten glaubt, das aber Quote und Dauergutelaune bringen soll, und dann tut der oberste Aufpasser so, als wäre das Fehlverhalten mathematischem Unvermögen geschuldet.

Es fehlen einem die Worte.

Über Oliver Fuchsens Zukunft braucht man sich derweil wohl keine Sorgen zu machen, wie die SZ schreibt:

"Problematisch für das ZDF ist vermutlich, dass der gescheiterte Unterhaltungsexperte 2012 einen Fünf-Jahres-Vertrag erhalten hatte. Denkbar wäre, ihn in einer kommerziellen Tochterfirma des Senders unterzubringen. Das wäre dann ein weicher Fall – auf SZ-Anfrage teilte der Sender dazu nur mit, Fuchs sei mit sofortiger Wirkung freigestellt."


Altpapierkorb

+++ Es fehlen einem die Worte (2): ZDF-Reporter Udo van Kampen singt Angela Merkel ein Ständchen (das die, und darin ist sie unübertroffen, lächelnd erträgt und zugleich gnadenlos abbügelt – "hätt' ich mitsingen müssen, ne? Dann wär's besser geworden"). Die Bewertung des Vorfalls durch die Online-Redakteure bei FAZ.net oder sueddeutsche.de bedeutet Delegation an andere Reaktionen wie die von Sascha Lobo. Der formuliert zwar schön – "es ist und bleibt eine schmerzhaft peinliche Handlung, vergleichbar nur noch mit dem Großonkel, der zur Hipster-Hochzeit unangekündigt ein tausendstrophiges Gedicht frei von jedem Sprachtakt vorträgt" –, lenkt damit aber auch von dem Umstand ab, dass es – wenn man mal den hehren Begriff vom Journalismus anlegt, den Udo van Kampen sich für seine Lebensleistungswürdigung wünscht – nicht nur um cool oder uncool geht, sondern um ein unprofessionelles Arbeitsverhältnis: Der Journalist als Fanhansa auf zwei Beinen. Man wird, wenn man es je getan hat, Udo van Kampen künftig kaum noch für einen seriösen Berichterstatter nehmen. +++ Dafür spricht auch sein Eingeständnis gegenüber Sonja Álvarez vom Tagesspiegel: "Am Donnerstag gestand er zähneknirschend ein: 'Im bierernsten Brüssel können Stimmungskanonen schon mal nach hinten losgehen. Nach dieser langen Nacht werde ich ganz sicher nicht mehr auf Pressekonferenzen singen, sondern wie gewohnt gleich die kritischen Fragen stellen.'" +++ Thorsten Denkler kommentiert für die SZ entschiedener: "Journalisten machen so etwas nicht." +++

+++ Apropos Panoramen fremder Reaktionen: Marcus Schwarze von der Rhein-Zeitung macht sich verdient um Journalismusbeschreibungen auf der Höhe der Zeit: "Vermutlich trennen uns noch Monate, höchstens ein, zwei Jahre vom automatischen Journalismus. Dann übernehmen Maschinen einen Teil der Berichterstattung. Und sie wird  durchaus lesens- und sehenswert sein. Ansätze dazu hat die Fußball-WM 2014 gezeigt." Interessanter Text. +++

+++ Im Feuilleton der SZ (S. 11) ruft Leiter Andrian Kreye eine Serie über die Sprache der Algorithmen aus, was sich, nach dem Tod Schirrmachers, auch ein bisschen wie eine Ansage im Kampf um das Erbe an die FAZ liest: "Das Feuilleton des Süddeutschen Zeitung wird sich in den kommenden Wochen und Monaten verstärkt mit dieser neuen Weltsprache befassen. In der kommenden Wochenendausgabe wird Johannes Boie beschreiben, wie er Amerika als ein Land erlebt hat, das jetzt schon von Algorithmen geprägt ist. Eine Woche später soll ein Schwerpunkt die Dialekte der neuen Weltsprache, also die verschiedenen Codes betrachten. Es wird nur ein Anfang sein. Denn die Welt ist auch im Digitalen groß." +++ RTL überträgt die Qualifikationsspiele des Fußballweltmeister der Herren zur Europameisterschaft 2016. Mit Schnickschnack: "Ein neues, modernes Studio wurde gebaut. Bei der Übertragung sollen dreißig Kameras zum Einsatz kommen, unter anderem eine über der Südtribüne installierte 360-Grad-Kamera. Auf Wunsch von Regieleiter Knut Fleischmann versprach der Programmchef Frank Hoffmann spontan sogar die Anschaffung eines Helikopters." (FAZ, S. 13). Und Experten: "Präsentiert werden die Fußballabende von Florian König (Moderator), Ex-Nationaltorhüter Jens Lehmann (Experte) und Marco Hagemann (Kommentator). Der Nachlauf zum Live-Spiel soll aus einem mobilen Studio moderiert werden, das in der Form einzigartig im deutschen Fernsehen sei." (TSP) +++

+++ Heide Oestreich begrüßt in der TAZ, dass eine N24-Sendung sich dem Thema Vergewaltigung widmet: "Dass es diese ProtagonistInnen gibt, ist trotz nervender Dramatisierung erstmal verdienstvoll, weil Vergewaltigung abseits einzelner Spektakel wie dem Kachelmann-Prozess ein wenig wahrgenommenes Verbrechen ist. Viele Frauen zeigen nicht an, und wenn sie es tun, werden die Angeklagten oft aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Also ist es eine gute Idee, das Thema auf den Bildschirm zu heben. Nicht ganz so gut ist die Idee, Nadine Mierdorfs 'Ich-bin-ein -unbestechlicher-Profi-Gesicht' dabei so ausgiebig in Szene zu setzen." +++ Via Carta beobachtet Till Wäscher Konzentrationsbewegungen im US-Medienmarkt (Murdoch will TimeWarner übernehmen): "Murdochs Angebot ist vor allem als Reaktion auf die noch vor Jahren für unvorstellbar gehaltene Konsolidierung des US-Medien- und Kabelmarktes zu verstehen. Im Jahr der Mega-Fusionen zählen Größe und die Kontrolle zahlreicher, wertvoller Inhalte mehr denn je." +++ Felix Lee in der TAZ über die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Journalistinnen in China: "Die Verschärfung richtet sich vor allem gegen Investigativjournalisten. Viele von ihnen seien aus dem staatlich kontrollierten Mediensystem ausgebrochen und hätten ihre Position missbraucht, heißt es in einer Erklärung des Nationalen Amtes für Presse, Radio, Film und Fernsehen. 'Das hat der Partei und dem Land geschadet.' Bereits seit Juni ist es Journalisten verboten, ohne Erlaubnis der Behörden außerhalb ihrer Provinzen zu recherchieren. Schon vor dieser weiteren Verschärfung belegte China auf dem Index für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen den 175. Platz – von 180 Ländern." +++

+++ Die SZ (Seite 10) glaub Jenny Elvers nicht, dass sie nicht gern in den Medien sei: "SZ: Die Blicke, die öffentliche Aufmerksamkeit: Das sind große Themen für Sie. – Elvers: Auch wenn mir das keiner glaubt, ich hatte nie den Gedanken: Ich stehe in der Zeitung, also bin ich. – Jetzt flunkern Sie aber. – Es stimmt schon, dass die Aufmerksamkeit für mich früher eine große Antriebsfeder war. Und natürlich wusste ich, dass ich abgelichtet werde, wenn ich über den roten Teppich gehe. Und wenn mein Foto in der Gala hinterher das größte ist, dann habe ich meinen Job gut gemacht. Mal ehrlich: Das ist Teil des Jobs. Aber ich gehöre nicht zu den hauptberuflichen Rote-Teppich-Geherinnen, bei denen ich mich frage, wie die eigentlich ihr Geld verdienen. – Das fragen sich bei Ihnen auch einige. – Ich bin Schauspielerin." +++

Der Altpapierkorb füllt sich Montag wieder.

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